5. September 2010

Shelburne Museum

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Am Samstag besuchten wir unser erstes Museum in Vermont, das Shelburne Museum an der Shelburne Straße Hausnummer 6000 im Dorf Shelburne. 


Unsere Kisten und Kartons sind alle ausgepackt, die Bilder an der Wand und so konnten wir am Wochenende einmal etwas anderes planen, als nur einen erneuten Besuch bei Walmart oder einem der Baumärkte. (Anand muss sich nur noch dazu entschließen, die Gelder für einen neuen Schreibtisch auszugeben – da dieser beim Umzug zerbrochen war – dann ist unsere Wohnung wieder komplett.)
Das Shelburne Museum wird in vielen Reiseführern als das wichtigste Museum in Vermont beschrieben, deswegen wollten wir damit beginnen. Es handelt sich auf jeden Fall um das größte Museum, denn das Freilichtmuseum steht auf vielen Hektar Grundfläche einer ehemaligen Apfelplantage. Es beinhaltet ca. 50 Gebäuden hauptsächlich aus der Zeit von 1775 bis 1900, die vom Leben in Neu-England berichten.
Dieses Museum wurde von Electra Havemeyer Webb gegründet, einer Dame der New Yorker High Society, deren Familie das Gelände in Vermont gehörte. Sie bauten sich ein paar der Farmgebäude als Sommersitz aus und kehrten der großen Stadt in jedem Sommer den Rücken, um das grüne, ruhigere Leben in Vermont zu genießen.
Die Ehepartner Webb waren beide zeitlebens Sammler, sie sammelte Puppen, Quilts, Porzellan, Gläser, während er von Werkzeugen, vor allem Schraubstöcken, Bronzestatuen, die das Leben im Wilden Westen darstellten und Jagdbildern begeistert war. Im hohen Alter und nach dem Tode ihres Mannes ließ Frau Webb die ersten Gebäude auf ihrem Vermonter Grundstück errichten, um die umfangreichen Sammlungen auszustellen.


Sie verfügte außerdem, daß ihr gesamtes Haus in der Park Avenue, samit Inneneinrichtung, Bildern an der Wand usw. nach ihrem Tod in das Museum transferiert werden würde und so geschah es. Das große weiße Gebäude begrüßt heutzutage als „Electra Havemeyer Webb Memorial Building“ die Besucher des Museums und nimmt sie mit auf eine Reise ins New York um 1920. Viele Freunde von Frau Webb mochten diese Idee sehr und überstellten ihre eigenen Pionier - Häuser, Scheunen, Bauernhöfe und Sammlungen in das Museum. So entstand mit den Jahren eine umfangreiche Kombination von uralten Häusern mit intakten Sammlungen amerikanischer Volkskunst, wie Wetterfahnen, Schildern, Teppichen, Schiffsfiguren und vieles mehr.
Unter den Häusern befinden sich Neubauten aus den 60 Jahren seit Museumsgründung, die sich jedoch selten als solche zu erkennen geben, sowie Fundstücke von überall her. So findet man ein altes Schulgebäude, ein Raddampfer, das komplette Atelier des Malers Ogden Pleissner, ein Leuchtturm, Bahnhof und Zirkusgebäude und was mich sehr erfreute: eine überdachte Brücke.

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Schon als wir noch in Ottawa gewohnt haben, wollte ich immer überdachte Brücken sehen und es kam leider nie dazu, da diese irgendwo in Quebecer Landschaft standen und wir kein Auto zur Verfügung hatten um danach zu suchen. Nun ist eine Brücke in einem Freilichtmuseum nicht gerade das gleiche, als wenn man inmitten freier Natur durch Wald und Wiesen auf einmal vor einer dieser Brücken steht, die wie Häuser aussehen, die den Fluß überspannen, aber ich fand meine erste selbstbesuchte überdachte Brücke trotzdem toll.
Ein bißchen kritisch muss man den Einfluß der vielen Familiensammlungen natürlich auch sehen, denn es wird nie das gesamte Bild der Zeiten dargestellt, die sie präsentieren wollen, denn die wohlhabenen New Yorker Familien waren selten am vollständigen Bild interessiert. Es handelt sich eher um eine romantisierte Variante der „guten alten Zeit“, in der es keine Armut oder Mühsal gab und man nur zu Zehnt in einem winzigen Bauernhof lebte, weil es so niedlich aussah und nicht weil man sich nichts Größeres leisten konnte. Andere Dinge fehlen völlig, obwohl sie wertfrei wären, es sich aber niemand für sie interessierte. So gibt es umfangreiche Sammlungen von Porzellan und Glaswaren, da sich aber Frau Webb und niemand ihrer Freunde für Besteck interessierte, gibt es keine Bestecksammlung, was einem als Besucher zumindest etwas seltsam vorkommt.

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Ich erwarte nicht unbedingt eine Bestecksammlung in einem Museum und bin auch nicht enttäuscht wenn ich kein Besteck zu sehen bekomme, aber es zeigt doch, daß bis zum heutigen Tag kein Kurator lenkend eingreift um die Museumsbestände sinnvoll zu vervollständigen.
Ansonsten wird das Museum von einer Freiwilligen - Armee alter Damen und Herren geleitet, die ihre Freizeit opfern, um interessierten Besuchern die einzelnen Häuser zu erklären. Wie immer zeigte sich Anand ein bißchen zu interessiert und brachte so einige der älteren Herrschaften mit detailierten, technischen Fragen in Verlegenheit, bis ich anfing in jedem weiterem Haus beim Betreten mit fester Stimme zu verkünden, daß wir keine Fragen hätten und uns nur etwas umsehen wollen würden.

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Die Bilder von diesem Museumstag sind leider nicht so gut geworden, da graue Wolken und teilweise leichter Nieselregen mitunter selbst das schönste Motiv beeinträchtigen können. Dennoch muss man das Wetter des Tages als gut bezeichnen, denn immerhin regnete es nicht ununterbrochen.

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Eine Kollegin von Anand begleitete uns auf der Museumstour, da sie obgleich seit vielen Jahren in Burlington wohnend, es nie zum Shelburne Museum geschafft hatte. Sie hatte am Nachmittag eine weitere Verabredung und so fand unser Besuch nach vier Stunden ein natürliches Ende, wir konnten zwar in manches Haus nur einen kurzen Blick hineinwerfen, aber für den Tag waren wir mit ausreichend Informationen gefüttert worden, bereits über den Punkt hinaus, daß uns noch irgendetwas begeistern konnte. Und so setzen wir uns wieder in den Bus, anstelle von Souvenirs hatten wir nur eine große Tüte reifer Äpfel vom Baum neben dem Bushäuschen mitgenommen und fuhren zurück nach Burlington in unser kleines, lebendiges Stadtviertel östlich der Fußgängerpassage :)
Zum Picasa Web Album mit weiteren Fotos geht es hier:
shelburne museum

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