6. Januar 2011

Zeugs

Derzeit lebe ich einmal mehr in meiner eigenen Welt... es gibt Tage an denen ich nach Sessel und Eßtisch in Craigslist Ausschau halten will und dann bin ich sogar zu faul den Computer überhaupt anzuschalten, dann wieder will ich etwas für diesen Blog schreiben und schreibe stattdessen hintereinanderweg zwei Artikel für den Decoblog. Ein bißchen hängt das natürlich damit zusammen, daß es im Decoblog egal ist, zu welcher Zeit man was wann gemacht hat... aber hier lege ich zumindest etwas Wert darauf und die Zeit ist ziemlich durcheinander geraten. Ich habe Artikel aus Deutschland, die noch geschrieben werden müssen, Artikel danach die schon geschrieben wurden, aber noch nicht passten, dann wiederrum Artikel von Weihnachten, die auch schon wieder passé sind... wahrscheinlich sollte ich mit solchen Aussagen wie „Teil 1“ in Zukunft etwas vorsichtiger umgehen. Dazu bin ich einmal mehr am Anfang einer Diät und dementsprechend lustlos (ich weiß, ich sehe nicht so fett aus, aber glaubt mir einfach, daß 69 kg bei einer 1,60 m Person zu viel sind und es wäre auch schön die Sachen in meinem Kleiderschrank mal wieder tragen zu können :) und wie immer wenn ich meinem Körper etwas entziehe, so wie jetzt Zucker u.a. viele andere Kohlenhydrate bekomme ich nein, keine Kopfschmerzen... aber Muskelkater. Insbesondere meine Beine fühlen sich an, als hätte ich plötzlich mit dem Joggen angefangen. Und so schleiche ich mich durch die ersten Tage und hoffe irgendwie die Willenskraft herzunehmen auch nach zwei Wochen und möglichen ersten Erfolgen die Nahrungsumstellung hin zu viel Salat, viel Gemüse, viele Eier und weniger zwischendurch naschen noch weiter durchzuhalten... aber wenn man mein Verhalten der letzten Jahre sieht, muß ich sagen, die Chancen stehen schlecht und es hilft sicher auch nicht, daß ich mich hier im Ort umschaue und denke, Mann, so dick bin ich gar nicht ... denn das sind die USA.
Ansonsten habe ich meine beiden mitgebrachten Comissario Brunetti Romane ausgelesen, Philip Singtons „Das Einsteinmädchen“ ist auch fast beendet, ich kann mich nur nicht dazu bringen die letzten Seiten, wo die Hauptfigur versehentlich erschossen wird, endlich zu lesen. Nach soviel Realitätssinn und die Bösen kommen eh immer davon, wollte ich etwas mit garantiertem HappyEnd lesen und so kam ich zu meiner Fastfood Autorin Nr. 1 Linda Howard. Deren Mix aus Thriller, Krimi und Liebesroman fand ich schon vor Jahren gut, denn Liebesromane selbst sind mir zu langweilig und nur Thriller oder Krimis werden mit der Zeit auch etwas öde... Seit „Death Angel“ hat sich der Stil der Autorin jedoch sehr verändert, so daß ich nicht immer weiß ob sie das überhaupt noch selbst schreibt oder ob sie vielleicht nur noch die Idee für die Geschichten liefert. Jedenfalls haben seitdem die ständigen Wiederholungen noch stärker zugenommen und in ihrem derzeitigem Buch „Ice“ ging es nun bereits zum dritten Mal um Meth, diese Droge, die aus Rohrreiniger und Hustensaft zusammengekocht wird, ihren Abhängigen noch schneller umbringt als alle anderen Drogen, aber eben auch sehr billig ist. Diesmal hatte die Droge jedoch die Hauptrolle in der Form der zwei Junkies Darwin und Nikki, die eine alleinstehende Frau in ihrem abgelegenen Haus überfallen und umzubringen versuchen, wenn da nicht noch ein Blizzard und viel später ein Polizist eine Rolle spielen würden. Teilweise war dieses Buch sehr schockierend geschrieben und teilweise auch zu unglaubwürdig (selbst für einen Thriller), denn ich denke nicht, daß Drogenabhängige kontrollieren können, daß Aggression ihre Hauptemotion während eines Drogen- „highs“ ist.
Um mein Buch einmal wegzulegen und „herauszukommen“ machte ich einen Spaziergang zu meinem Lieblings-Second Hand Laden hier in Burlington nur um dort von jemandem verfolgt zu werden. Selbst wenn ich nicht gerade noch halb im Buch gelebt hätte, hätte all das Stalkeralarm geschriehen, aber so war ich tatsächlich verängstigt. Einer der ortsbekannten Obdachlosen stand am Eingang (sie verbringen derzeit den Großteil des Tages in Läden, in denen man sie läßt), grüßte mich herzlich, was ich mit einem kurzen Nicken registrierte (das war schon falsch) und dann folgte er mir durch den gesamten Laden, ich ging dort, er kam hinterher, ich kramte im Kinderspielzeug, Bändern, Schnittmustern, Stoffresten stets einen nicht gerade wohlriechenden Menschen einen Meter von mir entfernt. Anand fragte am Abend, warum hast du ihn nicht einfach zur Rede gestellt, sicher ... aber mir fiel in dem Augenblick nur die Regel ein, daß selbst negative Aufmerksamkeit Ermutigung bedeutet und so versuchte ich mich im hartnäckigen Ignorieren was nicht sonderlich gut funktionierte. Irgendwann warf ich ihm doch einmal einen bitterbösen Blick zu, was ihn kurz hinter einer Bücherreihe verschwinden ließ, während ich schnell bezahlte, nicht die Straße sondern zwei Hinterhöfe passierte um auf einer gänzlich anderen Straße zu landen, das wiederholte ich nochmals und ich habe ihn zumindest auch an dem Tag nicht wiedergesehen. Was sich aber auf Dauer nicht vermeiden lassen wird, denn Burlington ist klein. Wahrscheinlich sollte ich doch mit dem furchterregenden, schwarzen Herren in unserer Straße Bekanntschaft schließen. Dieser sitzt zwar nur die ganze Zeit auf einer Kiste vor dem einen oder anderen Haus herum und flucht lauthals auf jeden Passanten, aber Anand behauptet, daß er eigentlich ganz nett sei und er ist stark. Nun ja, aber die Lust auf Ladenbesuche ist mir vorerst vergangen.
Um noch einmal auf Meth zurückzukommen; obwohl Vermont ein reicher Staat ist dessen Bewohner sich durchaus teurere Suchtmittel leisten könnten, gibt es auch hier Methabhängige. Es scheinen häufiger Frauen betroffen zu sein, die glauben Meth als Lifestyle Droge zu verwenden, mit der sie sich nicht hungrig fühlen und demnach ihr Gewicht halten können oder abnehmen. Was sie offenbar nicht verstehen ist, daß es nur dazu führt, daß sie schneller überhaupt nie wieder zu essen brauchen.
Dann doch lieber fett und lebendig.
Und so bin ich immer noch jedes Mal geschockt, wenn ich auf der Straße hinter einer anscheinend jungen Frau gehe, oder an der Supermarktkasse stehe, deren Alter ich aufgrund der Kleidung oder auch den Händen auf ca. mein Alter oder jünger einschätze und dann sieht man zufällig ihr Gesicht und starrt auf den zahnlosen Mund, die faltige pergamentene Haut, die den Schädel bereits deutlich hervortreten lässt und ich korrigiere meine Altersangabe auf 80+.
Ich rege mich jedesmal über das Mädchen auf, das sich die New Yorker Skyline ins Gesicht hat tätowieren lassen, (mit World Trade Center), aber wirklich es gibt viel Schlimmeres, denn sie wird sich das irgendwann später vielleicht weglasern lassen können, aber die Meth Mädchen haben wenn es hoch kommt noch fünf Jahre vor sich.
Dann versuche ich jedes Mal meinen Schrecken so gut es geht zu verstecken, denn Meth Abhängige können unberechenbar sein, und gräme mich innerlich über all das was Menschen nicht nur anderen, sondern auch sich selbst antun können.
Vor kurzem stieß ich auf die Bilder von Claire Martin, einer australischen Fotografin, die die Bewohner von Slab City fotografiert hat. Slab City ist eine Ansammlung von alten Wohnwagen in der Nähe einer ehemaligen Militärstation inmitten der Colorado Wüste. Hier landen Leute, die sonst nirgends unterkommen und wenn man das (untere) Bild dieser Frau sieht, dann denkt man zuerst, für ihr Alter scheint sie sich gut gehalten zu haben, bis einem auffällt, daß sie auch gleich das Wort Meth in roter Farbe auf dem Gesicht tragen könnte, denn offenkundiger könnte ihre Sucht nicht sein. Ich schätze ihr Alter auf ca. 35 +/- 5 Jahre und befürchte, daß sie noch jünger sein könnte. 


Doch während ich noch vor mir hindepressiere, so fällt mir doch auf, daß das nach allem die USA sind, wo jeder selbstgewählte Lebensstil per Gesetz ein freier ist, selbst wenn er in Selbstzerstörung endet, selbst wenn ihn sonst niemand versteht und daß diese Freiheit auch zu etwas unerwartet Neuen und Schönen führen kann. Denn einer der Bewohner von Slab City ist der Erschaffer von Salvation Mountain, einem riesigen, stetig wachsenden Kunstwerk, bestehend aus ebendiesem „Errettungsberg“ sowie einem angrenzendem Höhlensystem, das sich mehr und mehr zu einer Touristenattraktion wandelt.


Eine Moral fällt mir zu all dem gerade nicht ein... ich weiß auch nicht wie man "beunruhigt" in einem Resultat zusammenfassen könnte... also gehe ich jetzt lieber in die Küche, Abwaschen ...

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