25. Juni 2011

Licht aus


Am frühen Morgen erwachte ich und hörte ... gar nichts. Das normale Surren des Kühlschranks fehlte, die leisen Radiogeräusche des Frühaufsteher-Nachbarn über uns... nichts. Ich versuchte auf die Uhr zu sehen, aber der Radiowecker war dunkel, Licht ging nicht an. Stromausfall. Während Anand sich schlaftrunken daran versuchte zu erinnern, ob wir möglicherweise vergessen haben die Rechnung zu bezahlen (und dabei wieder einschlief), öffnete ich lieber das Fenster damit die Katzen mit der Vogelbeobachtung beschäftigt sind und legte mich auch wieder hin. 
Was soll man auch sonst tun? 
Duschen ohne warmes Wasser? Einen Tee trinken ohne Wasserkocher? Die Laptop-Batterie leer machen, jedoch ohne im Internet zu sein, denn der Reciever war natürlich auch tot. Telefonieren, Kochen, was immer im Kühlschrank verderben kann, Bügeln, Staubsaugen, ja sogar Lesen ist schwierig an einem regnerischen grauen Tag... manchmal ist es schon erstaunlich, wie die Menschheit in gerade einmal 100 Jahren dermaßen von einer Energieart abhängig werden konnte. 
Es ist fast genauso erstaunlich, wie wenig wir auf einen solchen Fall eingestellt sind und das in einem Land, in dem Stromausfälle wesentlich häufiger vorkommen als in Deutschland. Wir haben weder Propankocher noch Taschenlampe im Haus, von einer in Indien so üblichen Backup-Batterie (eine Art Autobatterie, die automatisch aufgeladen wird wenn Strom da ist und bei Stromabschaltung zumindest notwendige Haushaltsgeräte für ein paar Stunden betreiben kann, bis der Strom wiederkommt) braucht man gar nicht erst zu reden.
Während ich also hin und her überlegte (wenn man erstmal wach ist... ) und mit immer absurderen Methoden spielte, wie ich meiner Koffeinabhängigkeit Genüge tuen kann um mit Kerze und Topf bzw. einem kleinen Feuerchen vor der Haustür zum morgendlichen Tee zu kommen, gab ich den Gedanken an Restschlaf entgültig auf und beschloß eine Regenpause wenigstens zum Katzenspaziergang zu nutzen. Kaum schlüpfte ich etwas grimmig und unkonzentriert (ein paar der üblichen Entzugserscheinungen der legalen psychogenen Droge Koffein) in Schuhe und Pullover ging mit lautem Brrrrrmmm was in leises Surren überging, der Kühlschrank wieder an, der Radiowecker begann wild zu blinken, das Telefon verlangte neue Datumseinstellungen und die Internetbox strahlte wieder ihr beruhigendes gelbes Licht aus und für einen Augenblick hatte ich das Gefühl nicht mehr verloren zu sein... aber nein, halten wir uns an die Fakten: Der Strom war wieder da.
Ich hatte es den Katzen jedoch bereits versprochen, Linus stand schon an der Tür. Also gab es nur ein paar Stückchen dunkler Schokolade (86 % Kakao, das enthält, ja genau Koffein) und auf ging es nach draußen. Wochenend-Morgen sind die schönsten im Katzenland, denn dann sind nur sehr wenig Autos unterwegs, die den Frieden im Hinterhof stören könnten. Nach einiger Zeit begann es wieder zu regnen, Linus und Shweta machten demnach wenig Anstalten das Ende ihres Freigangs zu hinterfragen und liefen eilig mit mir zurück zum trockenen Flur, in die Wohnung wo dann alsbald der erste, frische, warme Tee des Tages auf mich wartete. Hmm, ... jetzt bin ich richtig da.

P.S. Bei einer kürzlichen Studie wollten Forscher wissen, ob man auch bei Koffein bewußtseinsverändernde Situationen erleben kann, nicht im Sinne von rosa LSD-Elefanten... aber vielleicht die kleinere Version davon rosa Mücken oder so. Sie stellten Menschen in einen Raum, die sich unterhalten sollten und fragten sie danach, was im Hintergrund für Musik lief. Während die Gruppe ohne Koffein problemlos erkannte, daß im Hintergrund gar keine Musik lief, konnten manche Mitglieder der Koffeingruppe nicht nur sagen welche Lieder liefen, sondern sogar zu welchen Zeiten sie begannen und endeten... und all das obwohl wie im ersten Fall, gar keine Musik im Hintergrund zu hören war.
Also traue deinen Ohren nicht, wenn du gerade schon „high auf Kaffee“ bist... ;)

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