11. September 2011

Konzert

Am Freitag abend war es einmal mehr so weit: Ein Konzert der sich langsam etablierenden ‚Church Street Concert Series’ lockte uns in die UU Kirche.
Dieses Mal spielte Michael Arnowitt, der vermutlich bekannteste (und fast blinde) Pianist aus Vermont unter dem Programmpunkt ‚From East to West’. Das beinhaltete westliche Komponisten, die von östlicher Musik beeinflußt wurden, wie z.B. Debussys ‚Pagodas’ von indonesischer Musik und Gustav Mahlers ‚Der Einsame im Herbst’ von chinesischer Lyrik, östliche Komponisten aus Japan und der Türkei, die wiederum vom Westen beeinflußt wurden sowie russische Komponisten, die diese Ost-West Gegensätze zusammen mit slawischen Deutungen allesamt in sich vereinigen. Darunter natürlich Alexander Scriabin, der wie schon von Kawai Chan so auch von Arnowitt als verrückt aber genial (ein-)geschätzt wurde.
Die Kirche war zum ersten Mal recht gut gefüllt, die Gäste lachten zu den Nicht-Witzen des Pianisten und dem frenetischen Applaus nach jedem Stück zu folgen verbarg sich dahinter eine aktive Verehrerinnen-Gemeinde.
Michael Arnowitt ist der erste Pianist der Reihe, der ausschließlich als Konzertpianist arbeitet und nicht nebenbei noch Lehrer, Professor, Klavierstimmer, Klavierbauer usw. ist, gleichzeitig schien er aber auch das größte Allgemeinwissen neben der Musik zu besitzen. Seine Idee für das Programm kam z.B. von einem Erlebnis seines Vaters, der als Physiker einen indischen Kollegen zu einer Beethoven Symphonie begleitete, wo sich selbiger Kollege dezent langweilte und vorallem die Rythmen zu vorhersehbar fand. Das führte zu einem Interesse für klassische indische Musik und letzlich zu diesem Programm. Ohne Frage war Anand damit sehr zufrieden und freute sich auf einen Abend der musikalische mit intellektueller Herausforderung kombinierte, sowie über den berühmten Tellerrand klassisch- europäischer Musik hinausschaute.
Das erste Stück des Abends Peter Feuchtwangers ‚Tariqa 1’ war von iranischer Musik inspiriert und funktionierte irgendwie nicht. Wo man sich aufgrund der Melodie bärtige Herren auf dem Boden sitzend auf Trommeln und Sitar-ähnlichen Instrumenten musizierend vorstellt, kann das Klavier nicht mithalten. Eine Taste vereint einfach nicht die Klangvielfalt einer freischwingenden Saite. Danach folgte Mozarts Rondo alla turca, was der Pianist erstaunlich leise und punktiert spielte. Aber es lag offenbar nicht in seiner bescheidenen, vergeistigten Persönlichkeit, den üblichen Boom-Boom Faktor zum gloriosen Ende auszuspielen.
Claude Debussys ‚Pagodas’ war genau die träumerische Wohlfühlmusik, die man sich unter so einem Titel vorstellt, Toru Takemitsu folgte dem mit ‚Rain Tree Sketch’. Danach kam das Werk „Black Earth“ des türkischen Komponisten Fazil Say. Die Komposition war von der Poesie eines blinden, osmanischen Dichters inspiriert und vereinte traditionellen türkische Elemente mit Jazzmusik. Alles was bei Feuchtwangers Werk nicht funktionierte war nun vorhanden und um die traditionelle Musik darzustellen, wurden Teilstücke direkt in den Saiten des Flügels gespielt. Der Effekt war so sehr im Kontrast zu allem was traditionelle Klaviermusik ausmacht, daß sich alle einig waren gerade das beste Stück des Abends gehört zu haben.
Nach der Pause ging es weiter mit Gustav Mahler, was dem Pianisten sehr viel bedeutete, aber er konnte das Interesse daran nicht so ganz in seinem Publikum wecken. Ein Teilstück aus einer chinesischen Oper folgte und war wunderschön gespielt. Es ist offenbar problemlos möglich traditionelle chinesische Musik auf einem Klavier darzustellen.
Für Scriabins ‚Sonata No.9 - Schwarze Messe’ wurde es dunkel im Raum. Fast ohne Licht versuchten wir uns auf die Besonderheiten dieser musikalischen Geisterbeschwörung zu konzentrieren, aber gegen 10 Uhr abends funktioniert das mit dem Konzentrieren bei mir nicht mehr so richtig gut und ich wurde einfach nur sehr müde.
Drei kurze Jazzstücke von Nikolai Kapustin weckten mich zwar wieder auf, aber ich war danach kein bißchen traurig, daß der Abend vorüber war. Dieses monumentale Programm forderte nicht nur den Pianisten sondern auch einiges von seinen Zuhörern.
(Beim Hinausgehen verabschiedete uns der Kirchenverantwortliche mit einem freundlichen „Na dann, bis zum nächsten Mal“ offenbar gehören wir bereits zum Inventar... )
Mit dem Gefühl etwas vollbracht zu haben, setzen wir uns in die nächste Bar. Diese war aufgrund eines Polizeieinsatzes äußerst leer und so hatten wir keine Probleme Sitzplätze an einem Freitag Abend zu bekommen. Nach einem Glas ‚Switchback’ (dem einzigen Vermonter Bier, das nur vom Fass kommt) und einer kurzen ‚Das-Beste-war’ Diskussion fühlten wir uns dann ausreichend für den 5-minütigen Heimweg gestärkt... :)

Mehr zu Michael Arnowitt findet man in Wikipedia sowie auf seiner Homepage: www.MAPiano.com

Das nächste Konzert der Reihe findet am Freitag, dem 23. September 2011, 20:00 Uhr statt. Dann mit einem Pianisten aus Wisconsin, dessen Namen ich leider vergessen habe.

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