10. Oktober 2013

Rock of Ages


Als wir nach Vermont zogen, las ich davon, daß die beiden größten Touristenattraktionen des Staates a) die Ben & Jerry’s Eisfabrik und b) der Granitsteinbruch in Barre wären. 
Die Eisfabrik konnte ich gut verstehen und wir sahen sie uns selbst einen Monat nach Wohnungseinzug an, der Granitsteinbruch erschien mir etwas seltsam... warum sollte jemand sehen wollen, wie andere Leute im Steinbruch arbeiten? Interessant ja, aber doch auch ein wenig zu technisch.
Dann sah ich die ersten Fotos von den malerisch überwachsenen, pyramidenartig-geschnittenen Bergen, deren ehemalige Steinbrüche mit Wasser verfüllt waren und ich erfuhr, daß man nicht nur den Steinbruch besuchen kann (der übrigens der tiefste Granitsteinbruch der Welt ist) sondern es in der Gegend 75 ehemalige Steinbrüche gibt, von denen man 68 in einem zusammenhängenden Gebiet erwandern kann.
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Das Ergebnis ‚Millstone Hill Trails‘ ist eine sehr seltsame Landschaft: von ehemaliger Industrie, überhohen Bergen aus Granitabfall, den vielen Steinbruch-Teichen mit ihren schwarzen Wassern, die die Tiefe erahnen lassen und all das wird langsam von der Natur überwachsen.
Es sah toll aus auf den Fotos und absolut sehenswert.
Seitdem wollte ich mir die Granitlöcher selbst ansehen, doch es dauerte ganze drei Jahre, bis es endlich soweit war. Am vergangenen Wochenende fuhren wir dann in die Granitstadt Barre, Vermont.

 Zwei, der zahlreichen Granit-Schutthalden
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Sobald man in die Gegend kommt, sieht man den grauen Barre Granit überall, in den Straßenkanten, teilweise Gehwegen, Gartenmauern und vielen Hausfundamenten findet sich das haltbare Material, das überall in riesigen Schutthalden herumliegt... frei für jedermann, der es schafft etwas davon zu bewegen.
Manche der Schutthalden sind viel höher als die umliegenden Häuser und man kann nur hoffen, daß nie etwas davon in Bewegung gerät... Aber dann hat es das seit einem halben Jahrhundert nicht gemacht, also warum sich grundlos aufregen.

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Im Touristenzentrum der ‚Rock of Ages‘ Firma bezahlten wir $5 für die Bustour und wenig später ging es mit einem Schulbus hinaus zum einzigen noch aktiven Steinbruch. Vieles im Granitgeschäft ist mittlerweile ‚damals‘ und ‚es war einmal‘, das große Geschäft wird heutzutage in China und Brasilien gemacht, zu Preisen mit denen Barre nicht mithalten kann. 
Also verabschiedete sich die Firma aus dem Steinmetz- und Küchenarbeitsplatten-Geschäft und konzentrierte sich auf die Produktion von Denk- und Grabmälern. So besteht heutzutage jedes dritte Denkmal in den USA aus Barre Granit, da es so gleichmäßig gemasert ist und absolut wind- und wetterfest.

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Der Granitabbau begann im Jahre 1812.
Damals war man mit Schwarzpulver und langen Stangen unterwegs, um kleine Stücke aus dem Berg herauszubrechen, die im lokalen Hausbau verwendet wurden, denn mehr als ein paar Kilometer in alle Richtungen konnte man den Granit eh nicht transportieren. Dann kamen schottische Einwanderer und zeigten den Arbeitern, wie man mit dem Stein schneidet. Auf die Art musste man nur die ‚Wuchsrichtung‘ der Granitfelder finden und konnte große Stücken auf einmal herausbrechen.
Sobald Dynamit erfunden wurde, wurde es auch eingesetzt, das minimierte die vielen Unfälle, die es vorher mit dem unberechenbaren Schwarzpulver gab, doch Dynamit war nicht gut zum Granit und es entstand sehr viel Abfall.

 So sieht Granit aus, wenn mit Dynamit gesprengt wird.
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 .... und so, wenn Diamantbohrer am Werk sind.
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Es war daher erst die Entwicklung des Diamantbohrers, die die Granitherstellung revolutionierte. (Und die Eisenbahnanbindung von Barre an den amerikanischen Markt.) 
Es war um die Jahrhundertwende und es war zum ersten Mal möglich mit relativ einfachen Mitteln Granit abzubauen und danach zu bearbeiten, fast als wäre es Marmor. Das führte dazu, daß sehr viele italienische Steinbildhauer nach Barre kamen und die Bevölkerung wuchs in wenigen Jahren von einem kleinen Dorf auf 11 000 Mann. Die Männer brachten nicht nur das Wissen um die Steinschneidekunst mit sich, sondern auch europäisches Gedankengut, so waren 90% der Bildhauer in der Gewerkschaft organisiert und es gab sogar eine sozialistische Partei.

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Diese Veränderungen blieben natürlich nicht ohne Folgen bei der lokalen Bevölkerung. Die Mädchen strömten zu den Steinbrüchen und warfen Botschaften und Essen zu den schicken jungen Männern hinunter.
Das hätte in Deutschland sicher dazu geführt, daß die Steinbrüche weiträumig abgesperrt und gesichert werden, so daß keine Gefahrensituationen entstehen. In Barre dagegen sah man die Gelegenheit noch etwas Geld nebenbei zu verdienen und so wurden Schutzzäune direkt an den Steinbrüchen aufgestellt, Wege angelegt und Touren organisiert und mit dem entstehenden Tourismus am Steinbruch konnte gleichtzeitig das Produkt Granit noch besser beworben werden.
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 Der obere Block zeigt das Schwerste, was in einem Stück aus Vermont transportiert werden kann. Die Brücken sind nicht für größere Stücken ausgelegt.
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Heutzutage arbeitet man im Steinbruch noch immer mit Diamantbohrern, aber auch mit den sich stetig verbessernden Wasserstrahlschneidemaschinen, was dazu führte, daß praktisch kein Abfall mehr entsteht. Laser kann man dagegen nicht verwenden, denn der Quarzanteil im Stein reflektiert den Strahl zurück in den Laser und zerstört das Gerät.

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Nach dieser informativen Tour besuchten wir die eigentliche Fabrik-Werkstatt, wo am Wochenende jedoch keine Arbeiten stattfinden, sahen uns einen kleine Film im Touristencenter an und versuchten uns an der sechzig Jahre alten Granit-Bowling-Bahn im Garten.

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Danach hatten wir leider nicht mehr soviel Zeit zur Verfügung um die einstündige Wanderung durch die gefluteten Steinbrüche zu absolvieren, doch wir sahen uns immerhin in einer 15minütigen Minitour drei der Steinbruchteiche aus der Nähe an.
Vielleicht kommen wir irgendwann noch einmal in die Gegend und haben genügend Zeit für die ganze Pracht :)

2 Kommentare:

  1. Liebe Thea, sehr beeidruckend und Deine Strümpfe gefallen mir gut. Die Grabmäler sind ja sehr beeindruckend und erzählen ja dann sehr viel Persönliches über den Künstler, der es für sich selbst geschaffen hat. Die Kette soll aus Stein sein? Unglaublich. Viele Grüße von Cosmee

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    1. Danke schön, es sind Leggings mit Comic Druck darauf. Jetzt brauche ich nur noch eine Comic Tasche ^_^
      Ja, ich fand die Skulpturen auch sehr beeindruckend, solch filigrane Kunststücke hätte man sonst kaum mit dem Material Granit in Verbindung gebracht.

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