Wer meinen Blog schon eine Weile verfolgt, wird sicher bemerkt haben, daß ich mich meistens sehr positiv (oder sogar enthusiastisch) über indische Feste äußere, nur einmal im Jahr ärgere ich mich sehr über: Karva Chauth. An diesem Tag fastet die verheiratete Frau (oder die die heiraten möchte) einen Tag lang bis zum Mondaufgang für das Wohlergehen ihres Mannes. Eine Pflicht des Mannes für das Wohlergehen der Frau zu fasten gibt es nicht.
Für mich zeigte diese Tradition im Kleinen alles was falsch läuft mit der Stellung der Frau in der indischen Gesellschaft: Wie von ihr erwartet wird das Wohlergehen ihres Mannes selbstverständlich über ihr eigenes zu stellen, wie man unter ‚Glauben‘ selbst Traditionen aufrechterhält, die schon längst hätten vergessen werden sollen und wie die indische Filmindustrie den Tag verkitscht, romantisiert und als indische Antwort auf den Valentinstag verstanden wissen will.
Der Fastentag fand in diesem Jahr am vergangenen Samstag statt und wie immer standen sich die Gegner und Befürworter in meinem Facebook newsfeed gegenüber. Die einen wünschten sich gegenseitig ‚Happy Karva Chauth‘ und zeigten wie gerne man doch fastet, schließlich gibt es zum Fastenbrechen meist ein Goldgeschenk des Ehemannes, die anderen verkündeten ihr Unverständnis darüber, daß sog. moderne Frauen sich mit solcher Freude selbst erniedrigen. Ich habe mich herausgehalten, nur in mir brodelte einmal mehr das für und wider dieser alten Tradition. Denn obwohl die Frau sich sozusagen ‚opfert‘ für den Mann (und damit kommen wir gefährlich nahe an Sati - die Witwenverbrennung, auch wenn das alle immer weit von sich weisen)… so gibt es ihr doch eine (religiös verstandene) Macht über den Mann, die sie normalerweise nicht haben würde. Sie fastet, damit es ihm gut geht, heißt im Umkehrschluss: Wenn sie nicht fastet, geht es ihm schlecht. Dazu kommt natürlich auch, daß es ein Festival der Frauen ist und mit dem gemeinsamen Fasten eher die Bande zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter gestärkt werden sollten, denn in der traditionellen Großfamilie war das sehr wichtig für den Hausfrieden.
Braucht man das Fest heutzutage noch? Diese Frage kann glaube ich nur jeder für sich selbst beantworten (für mich ist es historisch faszinierend, aber die Antwort ist ganz klar: Nein), es wäre jedoch spannend wenn man es mit neuen Inhalten füllen könnte und es nicht mehr um Macht und Ungleichheit ginge.
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