20. Juni 2019

Fast Mittsommer


Es war so heiß und stickig, daß wir in der Nacht die Balkontüren offen gelassen hatten. Damit konnten die Katzen die Nacht auf weichen Kissen sitzend draußen verbringen und auch im Haus war es etwas kühler.
Dennoch mussten mich die Beiden natürlich gegen halb vier aufwecken, vordergründig wegen Hunger, aber ihnen war wohl auch langweilig. Weil es am nächsten Morgen regnen sollte, ging ich dann auch auf den Balkon um Polster und Kissen wegzuräumen und es war so wunderschön.
Es herrschte nicht mehr finsterste Nacht, sondern eher ‚dunkelblaue‘ Stunde, der Mond schien halb zwischen den Bäumen hervor und die Temperaturen waren frischer und angenehmer als am Tag. Also setzte ich mich eine Weile auf die Bank und versuchte diese Stimmung einzufangen, um mich in dunklen, strengen Winternächten daran erinnern zu können :)


13. Juni 2019

Auf dem Eifelsteig


Vor kurzem sind wir die erste Etappe des Eifelsteigs entlang gewandert, der ab Aachen Kornelimünster in 15 Tagesetappen bis nach Trier führt. Meine Schwester hatte mir bereits zu Weihnachten eine wetterfeste Gesamtkarte geschenkt, die jetzt endlich eingeweiht werden wollte.
Da die Temperaturen an dem Tag um die 30°C liegen sollten und auch meine Kondition noch nicht die Beste ist, sind wir jedoch nicht von Kornelimünster nach Roetgen gelaufen, sondern von Roetgen nach Kornelimünster, gleiche Kilometer-Anzahl, aber weitestgehend bergab statt bergauf. 


Im Februar hatten wir die ungewöhnlich warmen Tage zu einer Wanderung über den Struffelt genutzt, und so kannten wir uns an der Wanderstation in Roetgen bereits bestens aus. 
Auch der Eifelsteig führt ein Stück an der Struffelt Route entlang, allerdings umgingen wir Roetgen in einer großen Schleife, die so schöne Ausblicke bot, daß wir beschlossen diesen Umweg bei der nächsten Struffelt Umrundung miteinzubauen.


Allerdings kamen wir so auch durch ein völlig zerstörtes kleines Waldgebiet: Riesige Eichen waren entweder entwurzelt und lagen links und rechts wie Mikados herum, andere waren irgendwo in der Mitte zersplittert worden und unser Eifelsteig war verschwunden. 
Prompt verliefen wir uns und es dauerte eine Weile, bis wir unseren Weg durch das Tornadogebiet wiedergefunden hatten, obwohl offenbar bei Aufräumarbeiten alle Wege freigeräumt worden waren.
Im Fernsehen hatte man bei dem März-Tornado in Roetgen natürlich nur die beschädigten Häuser gezeigt, aber auch hier im Wald konnte man die zerstörerische Linie sehen, sobald man wusste, was man da eigentlich sah. Dort große gesunde Bäume, völlig hinüber und am Rand so ein kleines verhutzeltes Alt-Bäumchen, das aussieht als könnte ihn jeder Windhauch umhauen - stand weiterhin, weil er nicht in der Marschrichtung der Windhose lag. 


Kurz danach erreichten wir die Dreilägerbach-Talsperre, stapften über die Holzpfade des Struffelt, bis wir die bekannte Route verließen und den Weg Richtung Aachen einschlugen. Ab jetzt führte ein gut ausgebauter Waldweg meist schnurgerade durch Fichtenwälder.


Nachdem die Eifelwälder komplett für die Holzkohleherstellung abgeholzt worden waren, waren es die Preußen, die im vorletzten Jahrhundert alles wieder mit Fichten aufforsteten, deswegen und weil die Fichten so schnurgerade wie Soldaten stehen, werden sie in der Gegend Preußenbaum genannt.
Hin und wieder gab es ein paar gefällige Wegabschnitte über Bäche und kleine Aufforstungen, manche Abschnitte waren aber etwas langweilig.
Wir sind eben verwöhnt aufgrund unserer Wanderungen an der Nahe und im Mittelrheintal, wo überall dramatische Felsen, Wasser, Burgen, Wald und Weinberge zu sehen sind - aber so abwechslungsreich ist eben der normale Wanderweg meist nicht. Immerhin ging es durch den Wald und das war an diesem heißen Tag ein Vorteil. 
Nach einiger Zeit erreichten wir in Walheim eine Westernranch (Freizeitgelände Walheim) mit angegliedertem Spielplatz, wo wir uns erst einmal ein Eis holten, bis es weiter auf den interessanteren Kalkofenweg ging.


Ab 1890 wurde in der Gegend Kalkgestein abgebaut, das in Kalköfen direkt neben den Steinbrüchen herausgebrannt wurde, um Kalk für Landwirtschaft und Industrie herzustellen. 


Die Öfen stehen noch, manche wurden restauriert, andere verfallen als Naturschutzgebiete. Hinter einem der modernsten Öfen, die noch bis in die 1950er Jahre in Betrieb waren, begegneten wir einer offenbar obdachlosen Frau, die mit Sack und Pack dort mitten im Wald lebte und gerade Wäsche in Bäumen aufhing.
Der Kalkofenweg ist eigentlich länger und einer der Steinbrüche so interessant, daß er einen eigenen Ausflug rechtfertigen würden, aber der Eifelsteig bog ab, und für uns ging es zunehmend durch Wohnanlagen und Dörfer mit ihren typischen Bruchsteingebäuden.


Einmal führte der Eifelsteig auch direkt auf die Vennbahn, eine ehemalige Bahnhochtrasse und heutzutage Fahrradweg, dann musste man in ein Tal absteigen, sofort ging es wieder steil bergan und wir waren erneut auf der Vennbahn (und ich leicht frustriert … falls wir hier noch einmal langlaufen, bleibe ich garantiert auf der Vennbahn). 
Gleich danach ging es wieder bergab und dieses Mal war es nicht nur sinnloses Herummäandern, sondern wir wurden unter dem Vennbahn-Viadukt hindurchgeführt, vorbei an einem weitläufigen Pferdehof. 


Direkt neben der Koppel führte uns der Eifelsteig dann auf die Zielgeraden, noch ein Waldstück, dieses Mal mit Buchen und zwei überquerte Brücken später, erreichten wir den historischen, schönen Stadtkern von Aachen Kornelimünster. 


Eigentlich wollten wir hier auch zu Abend essen, aber die Möglichkeiten für Vegetarier wie A. waren so begrenzt, daß wir lieber den nächsten Bus nach Aachen nahmen und beim Mexikaner am Markt zu Abend aßen. Dazu gab es einen Cocktail, den ich nicht beenden konnte, weil ich schon zu fertig mit der Welt war :) 


Immerhin hatte ich am nächsten Morgen keinen Muskelkater, also haben wir uns wohl nicht überanstrengt.

8. Juni 2019

Alles Gute


Seit mehreren Tagen warte ich auf die Lieferung eines Gartentisches, den ich garantiert nicht selbst vom nächsten Postamt abholen möchte und ich bin schon sehr ungeduldig. 
Gestern Abend änderte sich dann endlich die Lieferbenachrichtigung von derzeit ‚Lieferung am 7.6. bis 12:30 Uhr‘ auf ‚Der Tisch hat am 7.6., 18:13 Uhr Köln erreicht und wird voraussichtlich am 8.6. ausgeliefert‘. Argh, also waren der 6.6. / 7.6. von Anfang an überhaupt nicht möglich, weil der Tisch noch gar nicht in der Region angekommen war - und außerdem muss ich noch ein Tag warten, bzw. zwei, wenn es heute ebenfalls nicht kommt.
Am Donnerstag war ich schon so genervt davon ans Haus gefesselt zu sein (selbst im Garten hört man die Klingel nicht mehr), daß A. mit mir abends in ein chinesisches Restaurant fuhr - um genau zu sein, das ‚China-Restaurant‘. Asia Imbisse gibt es überall, selbst Würselen hat vier davon, aber echte Restaurants gibt es gar nicht so viele wie ich dachte.
Wir mussten dafür mit dem Bus nach Alsdorf fahren, wo es dieses Restaurant, dessen Name gleichzeitig Gattungsbezeichnung ist, seit 1977 gibt. Damals war ein Mehr an Namen wohl nicht nötig, und A. musste sofort darüber nachdenken, wie es wohl ’77 gewesen sein muss als Chinese in der deutschen Provinz ...

Der altmodische Gastraum erinnerte mich sehr an die chinesischen Restaurants, die gleich nach der Wende in Wismar eröffneten, das dunkle Holz, die rot-schwarz-lackierte Farbgebung, die Drachen.
Eine der Inhaberinnen erzählte A., daß der Name des Restaurants eigentlich ‚Alles Gute‘ (symbolisiert durch Drachen und Pfau) ist, aber China Restaurant hat sich eben durchgesetzt. Die zweite Inhaberin fertigte derweil neben der Bar sitzend Dumplings, gefüllt mit Gehackten, während in der nicht-sichtbaren Küche, die üblichen, an den deutschen Geschmack angepassten chinesischen Gerichte entstanden. 
A. wählte eines von vier vegetarischen Reis/Nudelvarianten, ich eines von min. zwanzig Huhn-Versionen, süß-sauer, und auch das schmeckte so, wie ich es aus meiner Erinnerung kannte.
Den Pflaumenwein danach lehnten wir dankend ab (ich weiß gar nicht warum) und fuhren mit dem nächsten Bus nach Hause. 





P.S. Der Gartentisch kam heute endlich an und ist bereits zusammengebaut ... also alles gut :)

3. Juni 2019

Kurz nachgedacht

Angesichts von Enthüllungen in der deutschen Blogosphäre, in der sich eine Blogschreiberin u.a. eine jüdische Identität angedichtet hat (und nachdem sich der Sturm schon weitgehend gelegt hat - schließlich ist die Nachricht bereits von der letzten Woche) komme ich von dem Thema gedanklich noch nicht ganz los.
Ich lese mich gerade durch diverse aufgeflogene Falsch-Blogger Geschichten, die mir in den letzten Jahren im Gedächtnis geblieben sind, vom fleischessenden Veganer, zur Männer verjagenden Modepiratin, die plötzlich heiratet, zum eher tragischen Fall der Krebspatientin, die sich mit natürlicher Ernährung heilen möchte - und dann verstirbt, getoppt von ihrer Bekannten, die sich als überlebende Krebspatientin ausgibt, ohne es zu sein.
Es ist eigentlich erstaunlich, wie sich die Geschichte immer wiederholt (sowie der in diesen Geschichten 100 %ige Frauenanteil), auch wenn die Einzelheiten natürlich in jedem Fall eine andere sind.
Es gibt aber zumindest zwei Gruppen, eine die nur im Blog eine ‚Fake‘ Identität annimmt und eine, die eher in den Bereich Lebenslüge geht und sowohl im Blog als auch Offline weitergesponnen wird. Bei der Ersteren ist es offenbar möglich auch nach der Enthüllung weiter zu machen, möglicherweise sogar als Karriere - bei der lebensumspannenden Täuschung wird das schwieriger.

Ich frage mich auch, ob Social Media solche Geschichten eher ermöglichen, denn man kann sich Bloggern näher fühlen. Früher las man ein Buch, konnte Leserbriefe schreiben, bekam vielleicht irgendwann eine Antwort - möglicherweise nur vom Verlag. 
Natürlich konnten sich auch daraus Freundschaften entwickeln, gab es auch Skandale - aber der Grad wie man auf Nachrichten reagiert, die man mit wochenlanger Unterbrechung erhält, ist doch ein anderer als wenn man unmittelbar auf Twitter /Facebook/Instagram reagieren und miteinander agieren kann. Man fühlt sich derjenigen näher und glaubt jemanden eher zu ‚kennen‘.

Auch wenn jedem klar sein sollte, daß selbst wenn man den Anspruch hat authentisch zu sein, man immer nur eine Seite von sich im Blog zeigt, die die man eben präsentieren möchte.

Ich habe im Mai auch eine gern-gelesene Bloggerin verloren, jedoch nicht, weil sich ihre Geschichten als unwahr herausstellten, sondern weil sie überraschend verstorben war. Auch da gibt es tatsächlich Blogger, die sich tragisch im Internet versterben lassen - in diesem Fall hat eine kurze Google Eingabe jedoch den Nachruf ihrer Familie bei einem Bestattungshaus zutage gebracht.





P.S. Ich befürchte fast, daß dieser Fall der falschen jüdischen Identität unmittelbar im deutschen Rechtstudium auftauchen wird - als interessante Variation des Herrn Nagelmann.