4. Juli 2008

Goa- die Anreise: Teil I


Endlich habe ich die Zeit gefunden und schreibe wie versprochen über unsere kleine schöne Hochzeitsreise nach Goa. Das ist nun auch schon fast wieder zwei Monate her, ich vermisse diesen Urlaub bereits sehr... :
Als wir am Dienstag um 4.30 Uhr morgens aufwachten, hatten wir einige der größeren Hürden bereits überstanden. Wir hatten trotz des Hochsommers und drohenden Monsuns noch ein Hotel ( Alor-Resort in Calangute-Beach für fast gar kein Geld) gefunden und hatten sogar Bahntickets kaufen können.
Zuerst wurde uns gesagt, dass es nahezu aussichtslos sei, in den Sommermonaten und nur zwei Wochen vorher noch Tickets zu bekommen. Daher hatten wir auch nach Flugtickets (bei Spice-Jet, Kingfisher-Airlines (auch eine Biermarke) usw.) geschaut, aber die waren meist zehnmal teurer als die Bahnpreise. Gott sei Dank hatte Prabhu (ein befreundeter Nachbar, der bei der Bahn arbeitet) die rettende Idee und buchte Tickets aufgrund der vorhandenen Ausländerquote.
Damit kann eine bestimmte Anzahl Nicht-Inder Bahntickets für eigentlich ausgebuchte Züge kaufen. Zum Nicht-Inder wird man übrigens schon wenn man über fünf Jahre im Ausland verbracht hat und so konnte auch Anand mit seinen Berlin-Jahren, ein Ticket aufgrund der „Foreigner Quota“- erwerben. (Das ersparte uns das Experiment über die Quote für wissenschaftliche Mitarbeiter zu gehen, die es zwar gibt, aber an sich nicht genutzt wird.)
Unsere Sachen waren gepackt und pünktlich standen wir am Bahnhof in Thane und warteten auf den Zug, der vom Bahnhof Victoria Station startete. Durch Lautsprecher-Durchsagen wurde bald darauf die erste halbstündige Verspätung angekündigt.
Also sahen wir erstmal eine Weile den Lokalzügen zu, die mit Menschentrauben an den Türeingängen gefüllt täglich hunderttausende zum Arbeitsbeginn in die Innenstadt bringen. Dass dabei auch jeden Tag Menschen sterben, weil sie z.B. die Gleise überqueren, am Türrahmen geklammert die Balance verlieren oder auf dem Dach mitreisen und in die Überspannungsleitungen geraten, bleibt nicht aus. In jedem zweiten Wagon fanden übrigens auch Morgengebete und Pujas mit Gesängen und Lobpreisungen statt.


Nach der zweiten halben Stunde schlossen wir Bekanntschaft mit einer Frau, die auch am Bahnhof wartete. Sie war gebürtige Goanerin, lebte aber mittlerweile seit vielen Jahren in Mumbai und holte ihre Tochter von den Ferien bei den Großeltern ab. Da sie wie viele im Staat Goa auch Christin war (und leicht missionarisch veranlagt) gab sie uns zum Zeitvertreib ein paar christliche Bücher, zum Thema, wie man Gott in allen Lebenslagen einbauen kann, wo ist Gott wenn man mit dem Rauchen aufhören will, Gott bei einer Diät, was hält Gott davon, wenn man ein Mangalsutra trägt (Schwarze Perlenkette, mit der im Hinduismus die Frau zeigt, dass sie verheiratet ist, mittlerweile aber auch Mode-Erscheinung), es gab sogar die Rubrik christliche Witze.
Nach insgesamt zwei Stunden Verspätung in der ich entweder die Hoffnung schon aufgeben wollte oder am liebsten dem Zug entgegen gefahren wäre, kam er dann endlich und wir begaben uns zu unserem Abteil. In den klimatisierten Abteilen gibt es keine freie Platzwahl sondern nur Reservierungen. Die Ausländerquote brachte es mit sich, dass in unserem Abteil auch andere Ausländer saßen, was uns eher unlieb war, denn Inder sind in höheren Ticketpreis-Abteilen sehr darauf bedacht, sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen (man sitzt ja quasi im Luxusabteil), eine Einstellung, die von Ausländern eher nicht geteilt wird. Diesmal war unser gebuchter Fensterplatz bereits belegt, was uns bei allen Bahnreisen nicht ein einziges Mal passiert ist, kein Inder würde einfach so auf einem anderen als dem von ihm gebuchten Platz sitzen. Ich war verärgert, denn die Bahnreise soll landschaftlich sehr reizvoll sein und eigentlich wollte ich Fotos machen.
Aber das russische Mädchen, das auf meinem Platz saß, hatte einen verblüffenden Grund: einen eigenen Hund – Max. Als Tourist in Indien hat man in den seltensten Fällen seine Haustiere dabei und dass sie nun den Fensterplatz beanspruchte um den Hund zu beruhigen (der unter dem Fenstertisch saß und Zugfahrten offenbar ziemlich abscheulich fand) sah sogar ich ein. Wie sie später in gebrochenem Englisch erklärte, lebte sie seit einigen Jahren im Land, zog umher und arbeitete jeweils hier und dort in Hotels und Restaurants. Da auch in Indien immer mehr Russen im Tourismusgeschäft mitwirken, finden sich offenbar auch Arbeitsplätze für russische Exilnomaden, wie dieses Mädchen es zu sein schien.
Sie war ein eher burschikoser Typ, sehr schlank, mit rappelkurzen Haaren und hatte eine Kellnertasche aus Leder umgebunden. Auf der Fahrt nach Tiffin aß sie den ganzen Tag über nichts. (und wir waren mehr als zwölf Stunden unterwegs, da sich die Verspätung durch verschiedene Stopps, auf vier Stunden erhöhte)
Ihr Hund Max war das genaue Gegenteil, klein, rundlich, schon etliche Jahre alt - ein russischer Schoßhund, der es gewohnt war auf dem Sofa zu sitzen und nun auf seine alten Tage ein Abenteuerleben in Indien führen musste. Sie erklärte, dass vor einem halben Jahr ihre Mutter in Moskau verstorben war, also flog sie zurück und als alle Angelegenheiten geregelt waren, blieb am Ende Max übrig. Ich weiß nicht, ob es keine andere Möglichkeit für den alten Hund gegeben hätte als diese, aber vielleicht war es nur noch dieser Hund, der Familie bedeutete und sie vor dem absoluten Allein-Sein schützte, auch wenn sie die ganze Zeit so tat, als wäre ihr Max völlig egal. Das Mädchen schien sich zwar gut durchs Leben schlagen zu können, aber irgendeine Richtung konnte man nicht erkennen und zusammen mit ihrem ängstlichen Hund, machte sie doch einen sehr verlorenen Eindruck.
Da Max auf der Reise auch nicht versorgt werden sollte (was wahrscheinlich besser ist, denn man kann ja schlecht rausgehen, wenn der Hund mal muss, andererseits beruhigt nichts so sehr, als wenn man etwas vor sich hin mampfen kann), hatte er Glück neben uns zu sitzen. Von Anands Mutter waren wir, wie jedes Mal mit einer kompletten Menüfolge ausgestattet worden und zumindest die Parathas (ungesalzene Butterteigfladen) waren auch etwas für Hundemägen. Außerdem resultierte aus meiner Angst vor Straßenhunden, dass ich immer Hundekekse dabei hatte um im Notfall Ablenkfütterungen durchführen zu können. Die Kekse waren zwar etwas zu hart für ihn, aber in Wasser aufgeweicht war er damit sehr zufrieden und ich hatte einen tierischen Verehrer gewonnen. Wenn das Mädchen einmal zum Bad ging oder sich zum Schlafen auf das oberste Klappbett legte, fing der Hund an zu jammern und zu heulen, aber ich konnte ihn immerhin etwas beruhigen.
Schräg gegenüber von uns saß ein indisches Ehepaar, welches ebenfalls aus Goa stammte und uns viel über die Bahnstrecke erzählen konnte. Zehn Jahre ist diese erst jung und führt durch 42 Tunnel und unzählige Brücken, unter anderem mit dem längsten Eisenbahntunnel und der höchsten Bahnbrücke Asiens. Da die Bauarbeiten aufgrund der vielen Tunnel so teuer waren, wurde diese Hauptverkehrsstrecke in weiten Teilen eingleisig gebaut, so dass die Züge immer wieder aufeinander warten müssen und wenn ein Zug Verspätung hat, muss der nächste eben auch länger warten.


Um Fotos musste ich mir auch keine Gedanken machen, da die Wagontüren offen standen, konnte man sich vorsichtig an den Ausgang setzen und ein paar Fotos schießen. Die Gegend wurde zunehmend grüner, die Hügel, die in Mumbai ab einer gewissen Höhe stets vegetationslos waren, waren nunmehr komplett bewaldet und ständig überquerte man neue Flüsse und Fjorde, die Luft war angenehm und klar.

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