4. Juli 2008

Goa- die Anreise: Teil II

Ebenfalls im Abteil saß ein junger Mann aus Assam. Dort war er als Armeemitglied auf einem Flugplatz stationiert und sollte nun seinen Dienst auf dem Flughafen der Landeshauptsstadt Goas in Panjim antreten. Assam liegt im absoluten Nordosten Indiens und da er schon seit zwei Tagen mit der Bahn unterwegs war, war er nur noch müde und erschöpft. Um den neben ihn sitzenden Franzosen mehr Platz zu geben, legte er sich auf das obere Klappbett auf seiner Seite und verschlief die gesamte Fahrt. Das französische Paar waren die letzten Mitreisenden in unserem Abteil. Sie waren beide ca. 20-25 Jahre alt und saßen uns gegenüber. Am Tag zuvor waren sie in Indien angekommen und wollten eine Rucksack-Rundreise zu den gesamten Südküsten in drei Wochen machen, Goa, Kerala, Kanyakumari (das Südkap Indiens, wo sich die Meere treffen) und natürlich die ehemals französische Kolonie Pondicherry. Der Junge sprach dabei nur französisch, während sich das Mädchen zumindest etwas auf Englisch verständigen konnte. Als wir sie ansprachen reagierten sie erst so verschreckt, als wenn wir sie jetzt ausrauben, überfallen oder sonst was würden, so dass ich spontan ins Bad verschwand und mich kritisch im Spiegel musterte ob ich plötzlich wie ein Monster aussah, aber so schlimm fand ich mich gar nicht- eigentlich ganz normal- irgendwie.
Aber die beiden waren noch ganz frisch auf dem Subkontinent und hatten sicher genauso viele Geschichten gehört wie ich, wovor man sich alles in Acht nehmen muss. Eine Sache davon war wohl auch, dass man überhaupt gar kein indisches Essen essen kann. Während sie also neugierig unser Menü bestaunten und wie wir es ohne Besteck essen konnten ( hehe, Thea kann das) wollten sie auf gar keinen Fall probieren und stellten dann fest, dass man in diesem Zug keine Chips und Kekse kaufen konnte, sondern jeweils nur Obst oder fertig produziertes Fastfood, wie Sandwich, Chicken Wings u.a. Helden wie wir waren, konnten wir die beiden nun mit einer Kekspackung versorgen und uns so (in böser Hexe-Manier) ihr Vertrauen erschleichen. ... =) Sie zeigten uns sogar ihre Fahrtkarte, die der Fahrkartenverkäufer bis zur Endhaltestelle ausgestellt hatte, was viel zu weit war, wenn man wie sie nach Panjim wollte. Aber offenbar hatte er auch nicht verstanden was sie wollten und dachte sich, bis zur Endhaltestelle kann wenigstens nichts falsch sein und sie werden dann schon wissen, wo sie aussteigen wollen. Wussten sie aber nicht.
Also besprach Anand mit dem goanischen Ehepaar den besten Weg nach Panjim und letztlich stiegen sie dann auch bei unserer Station aus, da dass am nächsten war. Die beiden wirkten mit ihrer nicht vorhandenen Vorbereitung so hilflos, dass man sie am liebsten an die Hand genommen und durchs Land geführt hätte. Wie im Leben konnten sie auf die Idee kommen, dass es eine gute Möglichkeit ist ein Land als Rucksacktourist zu erleben, wenn man nicht einmal in der Lage ist sich zu verständigen?
Als wir dann gegen 21.00 Uhr statt wie geplant 17.00 Uhr Tiffin erreichten, war es bereits stockdunkel. Wir verabschiedeten uns von Max und seinem Frauchen und mit einem etwas mulmigen Gefühl von den beiden Franzosen. Werden sie dem Rikshawfahrern erklären können, wohin sie wollen, werden sie mitten in der Nacht noch ein Gästehaus oder Hotel finden? Indien kann gefährlich werden, für Reisende, die die Regeln nicht kennen und so blieb uns nur zu hoffen, dass sie schon ihren Weg finden würden und machten uns auf die Suche nach dem Fahrer, den das Hotel geschickt hatte. Bald fanden wir auch den äußerst griesgrämigen Herrn.
Obwohl wir telefonisch unsere Verspätung durchgegeben hatten, wartete er bereits seit vier Stunden am Bahnhof, um 18.00 Uhr hätte er Feierabend gehabt, die Fahrt zum Bahnhof gegen 17.00 Uhr sollte die letzte des Tages für ihn sein und auch wenn die Verspätungen gerade im Sommer an der Tagesordnung sind, darüber freuen muss man sich noch lange nicht. Mit uns sammelte er noch eine Familie ein, die ebenfalls in Thane zugestiegen waren und schon ging die Fahrt mit einem „Tempo“- eine Art VW-Bus los. Der Fahrer war offensichtlich der Meinung den Namen des Autos wörtlich zu nehmen und so fuhren wir mit einer sehr hohen Geschwindigkeit durch die engen dunklen Kurven, bretterten über die schlechten Straßen um nun möglichst rasch dem Feierabend entgegenzufahren. Solcherlei durchgeschüttelt erhaschten wir zwar ein paar Blicke auf die hell erleuchteten, strahlend weißen Kirchen am Wegesrand, sahen das Ortseingangschild von Calangute und waren froh als er endlich am Alors-Hotel hielt. Die Fahrt vom Bahnhof dauerte 45 Minuten, so dass es schon fast zehn Uhr war und wir einfach nur todmüde. Zuerst gab es Probleme mit dem Zimmer, aber das wurde schnell gelöst und bald hatten wir den Schlüssel in der Hand. Es hatte zwei Zimmer, Bad und war sehr hoch, da es im Dachausbau lag. Leider war es noch nicht komplett gereinigt worden (was am nächsten Tag nachgeholt werden sollte, wie man uns versprach), da man offenbar nicht mit der sofortigen erneuten Vermietung gerechnet hatte. Der Balkon lag zur Poolseite und so hatten wir einen sehr schönen Ausblick auf einen Pool, der mir irgendwie seltsam vorkam.
Wir hatten uns vorher Bilder vom Hotel angesehen, und dort war der Pool immer klein, rechteckig und eng an den Häusern, in den Kritiken stand, dass das Wasser sich nicht richtig erwärmen kann, da der Pool meist im Schatten lag. Nun hatten wir einen großen Pool, der wie ein doppeltes Oval geformt war und sicher nicht am Tage verschattet sein konnte, so dass mir der Gedanke kam, im falschen Hotel gelandet zu sein. Aber es war spät und wir zu müde um darüber nachzudenken, also bestellten wir nur ein Bier für die Nacht, gegessen hatten wir im Zug bereits genug und so klang der Tag bei Bier und Gesprächen auf dem Balkon mit unserem (supertollen) Poolblick ziemlich bald aus, wir hörten noch eine Weile der portugiesischen Reisegruppe zu (verstanden aber nix...komisch..), die unten eine kleine Privatparty veranstalteten und dann war dieser Tag auch schon vorbei... Reisen ist doch irgendwie immer ziemlich anstrengend....
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