Es gibt genau zwei Telefonnummern, die ich noch auswendig kann - und nein, meine eigene Nummer ist es nicht - sondern das ist einmal die Festnetz-Nummer meiner Oma und zum anderen die Handynummer meines Vaters. Beide sind mittlerweile gestorben, meine Oma vor Jahren, nachdem sie den brutalen Überfall auf sie in ihrem Haus nicht verarbeiten konnte, und mein Vater in diesem Mai an den Folgen einer offenbar mißglückten Blinddarmoperation.
Heute ist sein Geburtstag, er wäre 66 Jahre alt geworden. Beide Tode kommen mir aus jeweils anderem Grund sinnlos vor und so wird auch der Geburtstag meines Vaters wohl noch für Jahre nicht die Erinnerung an bessere Zeiten, sondern eher an diese letzten Tage im Krankenhaus sein. Er hatte schon seit langem Probleme mit dem Blinddarm und auch bereits einen Blinddarmbruch überstanden: Dieses Mal bei einem erneuten Bruch sollte nun entgegen der heute üblichen Praxis zuerst operiert und nicht erst mit einem Antibiotikum gearbeitet werden. Nach der ersten Operation, erfolgte eine zweite Not-OP, nach der er nicht mehr selbständig atmen konnte, weswegen er im künstlichen Koma blieb. Sofort einen Luftröhrenschnitt machen, sonst bekommt er noch eine Lungenentzündung, riet meine Schwester, die selbst als Ärztin genau wusste, was in seinem Zustand notwendig war, aber er blieb im künstlichen Koma und bekam eine schwere Lungenentzündung mit hohem Fieber.
Als dann noch die Beatmungsmachine blockierte, hatte er nur ein sehr kleines Zeitfenster, in dem man ihn noch retten konnte, bevor er zu lange ohne Sauerstoff war. Leider hatte die Intensivstation auf der er lag, keinen eigenen Arzt, sondern wurde von den Ärzten im OP mitbetreut. Nur kann man nicht mal eben aus einem OP stürzen, wenn es notwendig ist und so konnte er letztlich nicht mehr erfolgreich wiederbelebt werden.
Das passierte mitten in der Nacht und sofort wurde meine Mutter angerufen, um die dreiviertel Stunde auf der Landstraße unterwegs zu sein, um das Drama zu quittieren, das nun mein toter Vater darstellte. Absolut unüblich meinte meine Schwester, die Ärztin, aber all das konnte eben an dem Ergebnis nichts mehr ändern, mein Vater war bevor es Zeit war, verstorben.
Er hatte sich sehr darauf gefreut, endlich das Rentenalter zu erreichen, und nun müssen wir leider unseren eigenen Weg finden, um seinen Geburtstag - ohne ihn - zu begehen.
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