Als ich noch sehr jung war (also damals) hatte ich häufig mehrere Bücher gleichzeitig gelesen, weil mich jene bereits in der Bibliothek so fesselten, dass ich nicht warten und sie nacheinander lesen konnte. Mein Schreibtisch war ein (geordnetes) Chaos aus zwei bis drei neuen Büchern, die ich parallel las, einem vierten, das ich schon kannte, aber nochmals las, weil es mir so gut gefiel und zwei Schulbüchern, die ich lesen musste und die demnach per se doof waren. Um neben der Schule noch möglichst viele Bücher konsumieren zu können, entwickelte ich mit der Zeit die Fähigkeit in jeder Lebenslage lesen zu können, sei es z.B. beim Bummel durch die Stadt (wie ein Schlafwandler kam ich immer heil am Ziel an, wusste aber beim besten Willen nicht auf welcher Route) oder auch im Straßenverkehrsrechtsseminar, dass ich 12-jährig mit meinem Vater besuchte, wo ich dem Redner „Lederstrumpf“ von J.F.Cooper entgegensetzte und dafür von einigen der anwesenden Anwälte ganz neidisch angesehen wurde. Mit den Jahren und wachsendem Zeitmangel ließ dieses Interesse am Buch langsam nach und als ich während des Studiums alle Semesterferien nur noch in Bibliotheken mit zentnerschweren Kommentaren und Gesetzesziegeln verbrachte, konnte ich mir fast schon nicht mehr vorstellen, jemals freiwillig ein Buch gelesen zu haben. Wenn jedoch Zwangspausen eintraten, in denen ich die Zeit zur Verfügung hatte, z.B. aus Langeweile im Urlaub oder eben wegen einer Erkrankung konnte diese Sucht schnell wieder aufflammen und Leute, die mich so noch nicht kannten, etwas verunsichern. Denn solange ich an einem Buch lese, lebe ich darin und bin nur bedingt ansprechbar. Erst wenn die letzte Seite beendet wurde und ich meine abschließenden Gedanken dazu formuliert habe, wache ich langsam wieder auf.
Als ich aus Indien zurückkam, hatte ich frei, mir war langweilig und ich war krank... genug Gründe um also wieder mit dem Lesen anzufangen.
Mein erstes Buch, das ich vorstellen möchte, habe ich eigentlich schon in Indien gelesen, aber da ich es so toll fand und der Vollständigkeit halber soll es hier einen Ehrenplatz bekommen. Es ist kein Geheimtip, sondern „Der Alchimist“ von Paulo Coelho. Ich hatte das Buch im Jahr 2006 von einer Freundin geschenkt bekommen und schleppte es nun seit zwei Jahren überall mit mir herum, in der Hoffnung es endlich einmal zu lesen, weil ich schon soviel von Paulo Coelho gehört hatte, weil das Buch bald verfilmt werden soll und ich es vorher noch schnell lesen wollte, weil mir das Bild auf dem Cover so gefiel, aber irgendwie kam es nie dazu. Als ich dann endlich damit anfing, war ich begeistert, gerührt und manchmal tieftraurig und viel zu schnell war das Ende dieses kleinen wunderbaren Buches erreicht.
Die Suche nach dem eigenen Weg im Leben und wie ihn der Schafshirte Santiago verfolgt, ist mit perfekten, einfachen Worten beschrieben, so dass sich wohl viele darin wieder finden können.
Natürlich hat dieses Buch sehr viel von einem „Der kleine Prinz“ für Erwachsene, denn wenn man nach dem Sinn des Lebens fragt und diese Fragen, der Kargheit und Schönheit der Wüste gegenüber stellt, landet man fast zwangsläufig bei Saint-Exupéry. Aber mich erinnerte es auch an andere Bücher, wie z.B. an „Hallo Mister Gott, hier spricht Anna“ von Fynn oder „Der alte Mann und Mister Smith“ von Peter Ustinov, der Gott und Teufel auf eine Tour durch die heutige Welt schickt. Verfilmt würde das wohl ein ziemlich schräges Roadmovie ergeben.
Wobei schräg auch gut auf das nächste Buch passt, dass ich gelesen habe: „Lange Zähne“ von Christopher Moore. Wie schon bei Coelho hatte ich von Moore bereits viel gehört, aber nie selbst ein Buch von ihm gelesen. Ich habe Moore-Bücher verschenkt und der Kater meiner Rostocker WG hieß Biff wegen des Moore-Bestsellers: „Die Bibel nach Biff.“ In „Lange Zähne“ ging es zwar nicht um Jesus, dafür um Vampire (wie der Name fast schon vermuten lässt...) Das Mädchen Jody wird zum Vampir und muss sich nun damit auseinandersetzen, dass der verursachende Vampir ihr ständig blutleere Leichen vor die Wohnung legt, was ja verwertungstechnisch gesehen schon mal ziemlicher Blödsinn ist, ihrem (menschlichem) Freund aber auch noch ziemliche Probleme mit der Polizei beschert. Trotz vieler guter Ideen und absurder Situationen war das alles eher unlustig beschrieben, so dass es sich zwar flüssig weg-las, aber keinen bleibenden Eindruck hinterließ. Anleihen aus „Interview mit einem Vampir“ und „Dracula“ wurden nicht einmal parodisiert.
Die Vampirkomödie besteht schon seit „Tanz der Vampire“ und offenbar ist seitdem nicht viel Neues im Schattenreich hinzugekommen.
Danach wollte ich eigentlich gar nichts mehr von Herrn Moore lesen, aber mein Vater schwärmte so sehr von „Flossen weg“ und er war genauso von Coelhos „Der Alchimist“ begeistert wie ich (das hat nun mittlerweile schon fast meine gesamte Familie gelesen, man ist allerdings auch in gut drei Stunden damit durch) , dass ich erneut ein Buch von ihm anfing. Und diesmal stimmte einfach alles. Vielleicht lag es daran, dass es noch kein Buch von Walgesängen in Verbindung mit Atlantissage und der Evolutionstheorie gab. Vielleicht lag es aber auch an dieser Mischung aus Comedy, Fakten und Fiktion, die mich begeisterte. ( Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie man als Schriftsteller seinem Verlag erklärt, dass man an einem lustigen Buch über die Erforschung der Gesänge von männlichen Buckelwalen schreibt...) Also ganz kurz zum Inhalt: Ein Walforscher versucht seit Jahrzehnten erfolglos ein System im Gesang der Buckelwale vor Hawaii zu finden, letztlich bestellt dann einer der Wale bei ihm telefonisch ein Pastrami-Sandwich mit Schweizer Käse und scharfem Senf und durch eine Verkettung unglücklicher Umstände landet der Walforscher in einer unterirdischen durch die Ursuppe erbauten Stadt, die von einem verrückten Colonel regiert wird, der zufälligerweise sein ehemaliger Professor ist. Wenn man den Inhalt dieser ganz alltäglichen Geschichte einmal außer Acht lässt, so hat man ein Buch, dem man anmerkt, mit wie viel (Spiel-)Freude es geschrieben wurde.
Danach las ich als Kontrastprogramm, das Buch „Glitter Baby“ von Susan Elizabeth Phillips, das vom deutschen Verlag kongenial mit „ Kein Mann für eine Nacht“ übersetzt wurde. Das Buch war seit vielen Jahren vergriffen und wurde nachdem es letztes Jahr von der Schriftstellerin neu bearbeitet wurde, erneut veröffentlicht.
Ich habe über die Jahre schon einige Bücher der Autorin gelesen und mag den leichten Mix aus Liebes- und Generationengeschichte, mit starken Frauenrollen, wenig Problemen und programmierten Happy End. Umso erstaunter war ich dann, dass eine der Hauptfiguren des Buches wegen unterlassener Hilfeleistung starb und es keinen so richtig störte. Bei manchen Büchern macht es vielleicht Sinn, wenn sie in der Versenkung verschwinden. Der Inhalt: Ein Model wird Managerin, ihr Freund ist Filmstar mit Vietnam-Syndrom, ihre Mutter Groupie und der Stiefvater erst böse und später tot.
Das nächste Buch „Anleitung zum Entlieben“ von Conni Lubek, wollte ich eigentlich überhaupt gar nicht lesen. Denn es ist aus dem gleichnamigen Blog entstanden, den ich sehr mag und ich hatte etwas Angst davor enttäuscht zu werden, wenn das Buch nicht so gut ist wie der Blog. Aber als mir im Buchladen Lpunkts alter ego ‚Curd Rock’ so nett entgegenlächelte und ich schon so ziemlich alles über die Entstehungsgeschichte des Buches gelesen hatte, von Schreibblockaden bis Korrekturlesen, erschien es mir plötzlich als das Natürlichste, dass ich das Buch nahm, zur Kasse ging und bezahlte. Der Einstieg in das Buch war dann auch etwas holprig und ich dachte mir wie nur Leser ohne das entsprechende Blog-Insiderwissen dem Geschehen folgen sollen, aber dann wurde es immer besser und zum Schluss konnte ich ihrem Verlag nur zustimmen: das Buch verlangt nach einer Fortsetzung. Inhaltlich geht es um das Leben einer Enddreißigerin, die eine Beziehung mit einem Mann führt, der sie nicht liebt, den sie aber sehr liebt weswegen diese Beziehung trotz seines „Ich liebe dich nicht“ jahrelang besteht. Sie wünscht sich eine Familie, er sich auch, aber wie er ihr sagt:“ Natürlich möchte ich Kinder, am liebsten drei- aber nicht mit dir!“ Also beginnt sie einen Blog, um das Nicht-lieben zu erlernen. Ihre Wege von Darmsanierung, Betrachten der Liebe als Sucht, Käsekuchenablenkung, Arbeitstheorie bis Finden neuer Partner sind komisch und tragisch zugleich und werden von der auf ihrer Couch residierenden „Ugly Doll“ Curd Rock sarkastisch kommentiert. Da Curd, als Plüschtier ein leichtes Problem mit Computertastaturen hat, verwechselt er stets „m“ mit „n“.
Mein Vater wurde jedenfalls zu einem spontanen Curd-Rock-Fan und geht nun auf „seim“ Sofa. Danach habe ich das Buch an meine Schwester weitergereicht, über manche Fähigkeiten und sei es die des Entliebens sollte man einfach informiert sein.