Am vergangenen Samstag bestiegen wir mit
Mount Mansfield, den höchsten Berg Vermonts. Der Berg sieht ein wenig wie das
liegende Gesicht eines Mannes aus, mit Stirn, Nase, dem höchsten Punkt (dem
Kinn) und Adamsapfel.
.
Wir suchten uns den schwierigsten
Aufstiegsweg aus um dieses Kinn zu erreichen (Expertlevel). Der ‚Hell Brook‘ Trail führt ab Smugglers
Notch State Park 1,3 Meilen geradeaus nach oben.
Wenn es geregnet hätte, oder
umgekehrt zu heiß und sonnig gewesen wäre, hätten wir diesen Weg wahrscheinlich
nicht gewählt, aber es war ein trockener und bereits recht kühler (und
windiger) Spät-Sommertag – perfekte Bedingungen also für den
Höllenfluß-Aufstieg.
Für die Abenaki Ureinwohner der Gegend, war
der 1.340 Meter hohe Granit - Berg ein Ort, um den man lieber einen großen
Bogen machte. Es hieß, daß dort Wendigos leben würden (eine Art
kannibalistische Yeti-Version) die auf Menschenjagd gingen.
Mit der Ankunft der
weißen Besiedler änderte sich das natürlich (auch wenn tatsächlich nie Spuren
von indianischer Besiedlung nachgewiesen werden konnten, nicht einmal von deren
Jägern) und einige Pioniere versuchten eine Stadt namens Mansfield am Fuße des
Berges zu gründen. Das mißlang, doch der Name blieb zumindest dem Berg
erhalten. Heutzutage gehört dieser je zur Hälfte zu den Gemeinden Stowe und
Underhill.
.
Da ich wusste, daß der Aufstieg einiges an
Klettern und wenig an eigentlichem Wandern enthalten würde, wählte ich in der
Vorbereitung lieber flexible Sportschuhe, als die steifen Wanderstiefel zu
tragen, die beim Klettern stören könnten, dazu kamen neben der Kamera und den
Wander - Stöcken, dehnbare Sportkleidung, sehr viel Wasser (und ein kleine Colaflasche: meine Geheimwaffe gegen entwickelnde
Kopfschmerzen), Medikamente, Nüsse und ein paar Müsliriegel. Und los gings,
nach 45 Minuten Fahrt hatten wir den Parkplatz vor dem Trail Head erreicht.
.
Der Weg zum Wanderweg-Anfang führte bereits
durch einen tiefen Graben, den man durchqueren musste - Willkommen in der Hölle :)
In der Folge bedauerte ich sehr, daß ich
die Wanderstöcke überhaupt mitgenommen hatte, denn beim Klettern störten sie
doch und waren relativ selten von Nutzen.
.
Fazinierende Wegstücke führten unter
riesigen Felsüberhängen hindurch und ebenso riesige Felsbrocken im fast
trockenen Flußbett erinnerten uns daran, was für eine Kraft in diesem Wasser
stecken kann. So sehr kam man jedoch nicht zum Nachdenken was sein könnte, denn
jeder nächste Schritt erforderte Konzentration.
Doch mit Händen und Füßen
kletterend, an Baumwurzeln hochziehend kam man gut voran und schaffte auch
einiges an Wegstrecke: Bald lagen die Straße und die Kliffüberhänge von
Smuggler‘s Notch unter uns, wenig später waren wir über den Gipfeln von Madonna
und Spruce Peak.
Letztlich erreichten wir neben einem moddrigen Teich das Ende
des Trails und liefen auf einer flache Ebene mit Krüppelkiefern und Fichten.
Zuerst dachten wir, daß wir es damit geschafft hätten, doch dann sahen wir den
eigentlichen Gipfel.
.
Es war ein erneuter steiler Aufstieg,
nochmals 0,3 Meilen (480 m) nach oben, diesmal außerhalb der Baumlinie und
somit offen den Winden ausgesetzt.
Ab jetzt ging es ganz langsam weiter, denn
ein falscher Schritt konnte schwerwiegende Konsequenzen haben. Ca. 10 m vor dem
Gipfel endete der Wanderweg komplett und wir wussten nicht, wie weiter?
Bald sahen wir, wie die Leute von oben
herunterkamen.
Man musste sich über das Ende des Weges
etwas hinauslehnen (dort ging es ca. 200 Meter (oder mehr) ungebremst in die
Tiefe) und sich dann nach oben hochziehen. Es sah nicht so schwierig aus (sogar
Kinder und Hunde schafften es) doch für mich war der Blick in die Tiefe einfach
zuviel. Mir wurde schlecht und ich verkündete, daß für mich der Weg zu Ende
sein würde. Also machten wir auf dem Felsvorsprung Pause und hatten eine Art
improvisiertes Mittagessen.
Dann wanderte Anand mit ein paar anderen Mutigen
hinauf auf den Gipfel um Fotos zu schießen. Ein paar Mal tastete ich mich noch
zum Abhang vor, aber ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, mich über
das Kliff zu hängen um mich nach oben zu ziehen; ein falscher Schritt, einmal
abrutschen mit den Händen und das wäre es gewesen und ich neige nicht zu
lebensgefährlicher Unternehmungslust. Aber irgendwie ärgerte es mich doch, so
kurz vor dem Gipfel aufzugeben und letztlich machte ich diesen einen Schritt
und hing in der Felswand (ich finde den Weg übrigens unverantwortlich
angelegt... ohne Sicherung in der Wand klettern... und das als Wanderweg
deklarieren?)
Eine Freundin, die hinaufgeklettert und schon
wieder nach unten gekommen war, erklärte mir jeden Schritt und Griff den ich
machen musste und so schaffte ich es mit ihr hinter mir doch hinauf auf den
Gipfel.
Anand war so froh mich dort zu sehen und es
war die Mühen auch wirklich wert.
.
Vor mir lag ein Felsplateau mit alpiner
Vegetation, warmen Sonnenlicht und Rundumblick nach Upstate New York, New
Hampshire, zum Lake Champlain, Stowe Village, Burlington etc. ...
Lake Champlain und die Adirondack Berge im Hintergrund
Stowe Mountain Lodge und Peregrine Lake
Man konnte
auf dem Bergrücken weiterwandern um neben dem Kinn auch die anderen Berggipfel zu
besuchen, doch wir gingen alsbald wieder nach unten. Es war sehr windig dort
oben und durchgeschwitzt wie wir alle waren, konnte man sich so schnell
verkühlen.
Auf dem Weg hinunter führte meine Freundin, die mich hinaufgebracht
hatte unsere Gruppe an, dann ging Anand, dann ich... die beiden schafften es
problemlos, ich schaffte es bis zu einem bestimmten Punkt und dann ging es nicht
weiter: akute Höhenangst.
Das ist der Weg :)
Meine Beine waren weich wie Pudding, ich weinte, mir
war schlecht ... ich saß einfach nur auf dem Hosenboden und wusste nicht wie
runter vom Berg ohne zu fallen. Anand und Darcy stiegen zurück in die Wand und
Stück für Stück schaffte ich es hinunter ohne dabei in den so sicher geglaubten
Tod zu stürzen. (Der Rat: ‚Gucke nicht nach unten‘, war hilfreich aber
wirkungslos, denn ich war wie paralysiert von dem Blick und wusste gar nicht,
wie ich irgend - woanders hingucken könnte...) Wider Erwarten schaffte ich es
und wurde mit großem Applaus begrüsst... ich weiß nicht, wie lange ich hilflos
in der Wand hing, aber ich hatten den Weg für andere
Wanderer versperrt, die froh waren, endlich weiter zu kommen.
Danach war kein Stück des Weges mehr
kompliziert und wir machten uns auf den Rückweg zu unserem Höllenweg.
Mittlerweile waren aber nicht nur meine Beine erledigt, wir waren eigentlich alle
mit der Kraft am Ende... aber das half nun nichts.
Der Abstieg dauerte fast
zwei Stunden mehr als der Aufstieg, häufig konnte man nur vorsichtig rückwärts
die Felsen hinunter tasten und hoffen, daß man sich noch an den Aufstieg
erinnern konnte, trotzdem stürzten wir alle an dem einen oder anderen Punkt.
Ich stieß mir dabei beide Knie, einmal kam mein Knöchel unter mir zu liegen,
meine Wanderstöcke verbogen und einmal landete ich so stark auf dem Rücken, daß
mir die Luft wegblieb. Anand fiel in eine Felsspalte und bezahlte mit einem blutigen
Knie und wir alle waren völlig verdreckt.
Aber nach genau 8 Stunden auf dem
Berg war auch das geschafft.
Wir erreichten den Parkplatz, erfrischten uns an
der aufgemauerten Quelle am Fuße des Berges und dann ging es nach Hause. Nach
einer Mini-Grillparty in Darcy‘s Haus (ohne die ich weder auf den Berg noch
wieder hinunter gekommen wäre) und einer Schmerztablette endete der Tag
sehr schnell um einem ungemütlichen Sonntag Platz zu machen. Treppen steigen
wurde zur eine Qual, die Knie angeschwollen, doch der Knöchel war zum Glück völlig in
Ordnung :)
.
Monotropa uniflora: Zum ersten Mal sah ich die weissen
Rosenpilz / Pflanzen.
Fazit: Der Höllenfluß-Weg ist ein
interessanter Aufstieg bei trockenem Wetter; doch zum Abstieg sollte man einen
anderen Wanderweg wählen (der Long Trail North befindet sich ganz in der Nähe
der Parkplatzes.)
Den Aufstieg zum Gipfel kann ich dagegen logischerweise
niemandem empfehlen, bessere Aufstiegsmöglichkeiten befinden sich an ‚Nase‘ und
‚Stirn‘, von wo aus man auf dem Bergrücken zum ‚Kinn‘ weiter wandern kann um so
diese m.E. gefährliche Felswand zu vermeiden.