In der Nacht vor unserem Termin bei der us-amerikanischen Botschaft konnte ich kaum schlafen, so viele Dinge gingen mir durch den Kopf, mögliche Szenarien an was und wie unsere zahlreichen zu stellenden Anträge scheitern könnten, was wir doch noch übersehen haben etc. Leider ist das US-System bei weitem nicht so gut organisiert wie das kanadische und so kann der Teufel auch schnell im Detail stecken.
Morgens machten wir uns auf den Weg, vor Schreck hatten wir ein paar Kopien vergessen und mussten erst einen bereits geöffneten Copy-Shop finden... das gelang und konsequenterweise fragte niemand in der Botschaft nach diesen Kopien. Wir hatten sämtliche Sicherheitshinweise verinnerlicht, so kamen wir ohne Tasche, Jacke, Portemonnaie, versuchten so metallfrei wie möglich zu sein und waren nicht eher als 15 Minuten da aber auch nicht später. Brav warteten wir in der Schlange vor dem Eingang, in der die ersten Besucher bereits abgewiesen wurden, da sie doch eine Handtasche dabei hatten. Nach dem Passieren der ersten Hürde ging es zu den Laufbändern und Metalldetektoren, wie man das auch vom Flughafen kennt. Die nächste Schlange war eine generelle Überprüfung unserer Unterlagen, ob wir alle Originale dabei hatten etc. und wieder wurden Leute nach Hause geschickt, die US-Bürger wurden an dieser Stelle aussortiert und bekamen ihren eigenen (VIP)Raum zugewiesen und wir durften zur nächsten Warteschlange vorrücken. Nun wurden die Zahlungsbelege einbeordert, wir bekamen eine Nummer zugewiesen und durften uns in den gut gefüllten Warteraum setzen. Botschaftsangehörige von anderen Botschaften konnten nun in einen eigenen Raum wechseln.
Nach einiger Zeit wurde unsere Nummer aufgerufen und eine nette Dame aus der Schweiz digitalisierte unsere Fingerabdrücke. Nun begann eine längere Zeit des Wartens, am Kopfende des Raumes befanden sich drei Fensterchen zu denen die Antragsteller zum jeweiligen Gespräch aufgerufen wurden, Privatspähre konnte man dort nicht erwarten. So konnten wir während der Wartezeit den Anträgen der anderen Leute lauschen und schon einmal unsere Antworten vorbereiten.
Die meisten Antragsteller an diesem Freitag Vormittag stammten aus dem indischen Raum, danach kamen Haitianer, gefolgt von vielen spanischsprechenden Leuten. Dabei gilt, daß Spanisch zwar (noch) keine offizielle Sprache in Amerika ist, aber alle Botschaftsangehörige fließend spanisch sprechen. Die drei Interviewer waren sehr unterschiedlich, es gab die mütterliche Dame, die sehr langsam arbeitete, aber sehr nett fragte, ein junger Mann, der je nach Anlaß nett oder unfreundlich wurde und ein älterer „Hardliner“ der zu jedem unfreundlich war und die meisten Leute abwies. Da die Dame nur Studentenvisa zu betreuen schien, waren wir guter Dinge bei ihr zu landen, denn Anands Visa ist auch eine Art Studentenvisum, trotzdem beteten wir, daß es uns nicht zu dem Hardliner verschlagen würde. Unser Gebet wurde erhört und so traten wir zu unserem Interview vor. Wir hatten alle notwendigen Anlagen etc. dabei, sie überraschte uns mit vielen Fragen zum kanadischen Arbeitsverhältnis, was eigentlich vorher ausgeschlossen wurde, aber nur für den Fall hatte Anand dennoch die entsprechenden Unterlagen parat (Gottseidank) und nach zehn Minuten Gespräch waren wir entlassen mit der Aussage, daß sie grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Visa-Erteilung hat. Die Anträge werden nun weiterbearbeitet, wir werden sehen, was wir vielleicht noch später zuschicken müssen... und in ca. 8 Wochen sollten wir unsere Pässe und das entsprechende Visum zurückerhalten.
Nach drei Stunden konnten wir nun die Botschaft verlassen und feierten diesen Etappensieg mit einem frühen Mittagessen beim Libanesen mit Chicken Shawarma und Baklava.
Am Abend des gleichen Tages besuchten wir das Unity-Festival, das organisiert wurde um Gelder für eine Familie in Not aus Ottawa zu sammeln.
Beverly Sunday und Joe Sayer vom Stamm der Cree waren an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele beteiligt. Als sie von dort zurückkamen, hatten sie nicht weit von ihrem Haus entfernt mit dem Auto einen Unfall den beide mit schweren Kopfverletzungen überlebten, sie hatten keine Krankenversicherung.
Um ihre Behandlungskosten zumindest etwas zu decken und gleichzeitig das Leben ihrer drei Kinder abzusichern, so lange sich die Eltern in Reha-Maßnahmen etc. befinden, fanden seitdem eine Reihe an Veranstaltungen statt. Erfahren hatte ich vom Schicksal der Familie durch etwas ungewöhnliche Art, denn eine Freundin aus Berlin, die gleichzeitig eine Freundin in Ottawa hat, schickte dann wiederum an mich diese Information die sie erhalten hatte, so daß mit Hilfe des Internets und über den Deutschland-Umweg die entsprechende Information letzlich auch mich erreichte... Eine frühere Kunstausstellung konnte ich nicht besuchen, aber Anand und ich waren uns einig, daß wir gerne dieses Festival besuchen wollten, das von der indianischen Gemeinde organisiert wurde.
Sicher gäbe es immer viele andere Dinge, für die es wahrscheinlich viel wichtiger wäre zu spenden, aber dann kennt man die Leute nicht und weiß auch nicht in welchen Organisationsstrukturen das Geld versickert und so kam es uns einfach und direkt vor. Zudem hatte Anand während der Zeit in Ottawa eine lebhaftes Interesse an den Kulturen der Ur-Einwohner entwickelt (und das ganz ohne mein Zutun, er sieht einfach die Gemeinsamkeiten des britischen Kolonialreichs...) zum Anderen versprach eine Menge an Bands und Musizierenden ein abwechslungsreiches Programm.
Der Abend begann mit einer stillen Auktion und der Erkenntnis, daß wir ziemliche Aussenseiter sind, denn jeder schien jeden zu kennen und hatte zumindest irgendeinen Bezug zur Kultur der Ur-Einwohner. Sogar ein paar Stammesälteste waren gekommen und mit
Shawn Atleo, dem Vorsitzenden der "
Assembly of First Nations" sozusagen der Oberhäuptling und wichtigster Vermittler zwischen den Stämmen und der kanadischen Regierung.
Mit halbstündiger Verspätung begann die Show mit dem Einmarsch der Tänzer, was ein farbenprächtiges Spektakel war... Leider hatte ich nur meine kleine Kamera dabei, da wir nicht wußten ob Fotos überhaupt erlaubt sein würden, nun es wäre kein Problem gewesen... aber die Bilder waren sehr schlecht, so daß ich mich auf kurze Videos verlegte. Der Abend war familiär gestaltet, viele Künstler traten mit ihren Kindern auf, was die Atmosphäre zusätzlich belebte. Einige Songs handelten von den Nöten der Ureinwohner, so sang Jonathan Maracle von dem Reservat in Kanada, das zeitweise der Ort mit der weltweit höchsten Selbstmordrate war und als der Standup Comedian Don Kelly erklärte wie er Thanksgiving feiern würde: „Mein weißer Nachbar kommt in meine Wohnung, beschließt, daß es nun seine wäre und gibt mir eine Reservat in der Nähe der Katzentoilette...“ konnten viele im Saal nicht einmal so richtig darüber lachen...
In der Pause dann wurde an Anand eine Frage gestellt, in der er prompt in Verlegenheit geriet. Ein junger Algonkin-Indianer fragte ihn: „Are you Indian?“ was auf englisch sowie Inder als auch Indianer bedeuten kann. Wissend, daß die ehrliche Antwort in diesem Fall falsch gewesen wäre, half er sich mit einem „Nun ja, ich komme aus Indien“ aus der Klemme... was spontanes Gelächter bei dem Fragenden auslöste.
Nach der Pause wurde das Programm ruhiger, die Reihen leerten sich, das Bühnenlicht wurde auf ein bläuliches Schimmern reduziert und so langsam machte sich die schlaflose Nacht und der lange Tag bei mir bemerkbar. Nach einem fantastischen Abschluß mit der Musik von Lucie Idlout endete der Abend gegen 11 Uhr und durch einen glücklichen Zufall bekamen wir sofort einen Bus der uns nach Hause bringen sollte... Es war ein toller Abend, mit sehr viel guter und auch sehr viel neuer Musik, es wurden 9022,06 $ für die Familie Sunday-Sayer eingenommen.... und ich war absolut und rechtschaffen todmüde.... :)
Das ist der Link zu einem Bericht und kurzem Video, des Fernsehsenders CTV über das Festival (nein, wir sind nicht im Bild.. )
und die zwei youtube-Videos zu denen ich meine Menge an Minivideos zusammengeschnitten habe: