Einen Tag nachdem wir die Fundkatze bei ihren Besitzern abgegeben hatten, bekamen wir bereits telefonisch die Mitteilung, daß es ihr überraschend gut geht.
In der Woche kam dann die Tochter der älteren Dame vorbei, um sich offiziell mit Blumen und Schokolade zu bedanken und erzählte uns, daß auch die restlichen Tierarzt- und Laborresultate ohne Probleme verlaufen sind, Urin, Blut alles in Ordnung. July hat zwar ungefähr die Hälfte ihres Körpergewichts verloren, aber wenn sie tatsächlich drei Wochen nur im Wurmtal herumgeirrt worden wäre, hätte sie das nicht so überleben können. Sie muss also für längere Zeit von jemanden gefüttert worden sein, und hatte bei Frost und Schnee einen geschützten Unterschlupf.
Sie bekommt jetzt eine Aufbaukur, musste mehrere Behandlungen wegen der vielen Zecken über sich ergehen lassen und vorsichtig wird auch ihr Fell entwirrt. Aufgrund ihres hohen Alters, kann man die Katze nicht mehr in Narkose versetzen, um einmal alles abzurasieren, deswegen geht es eben nur so Stück für Stück. Aber alles in allem sieht es so aus, daß der 19jährigen Katze durchaus noch eine gute, und sogar längere Zeit zu Hause bleiben wird.
Danach haben wir darüber nachgedacht, wie sie dort an der Stelle, mitten auf der Halde im Wurmtal gelandet sein kann. Eigentlich dachten wir, daß sie der Gouleystraße gefolgt und irgendwann ins Wurmtal abgebogen ist. Aber die Tochter meinte, daß die Katze nie in die Nähe einer Straße kam, weil sie als Kätzchen den Tod einer Katze erleben musste. Wenn man also die durchaus bestehende Möglichkeit ausschließt, daß jemand sie geklaut hat (und seien es auch nur Kinder, die nicht wussten, daß die halbblinde Katze alleine nicht nach Hause zurückfindet) - dann bleibt nur der Gouleypark, mit vielen gut ausgebauten Wegen und vielen Katzen.
Ich kenne mindestens drei Leute in der unmittelbaren Nachbarschaft, die immer auch Katzenfutter draußen stehen lassen, teils um eigene Katzen zu füttern, teils, weil sie selbst keine Katzen haben dürfen. Wir füttern normalerweise nicht, aber auch bei uns gibt es zumindest verschiedene Wasserstellen. Und es gibt verwilderte Gärten zwischen Gouleystraße und Gouleypark, mit Schuppen u.ä. die Schutz vor dem Wetter bieten könnten. In einen dieser Gärten ist sogar ein Reh mit Nachwuchs eingezogen, also haben die Nachbarn reagiert und Wildfutter gekauft.
July könnte also Futter gefunden haben können und einen Wetterschutz, und weil sie natürlich wieder nach Hause wollte oder von anderen Katzen verdrängt wurde, ist sie dann weitergelaufen.
Dennoch ist der Fundort mitten in der Halde das größte Rätsel, denn dort kann man nicht einfach so landen.
Die Halde der ehemaligen Untertage-Kohlegrube Gouley wurde - nach dem Ende des Kohleabbaus - in Teilen nochmals abgegraben und neu gesiebt dann woanders aufgeschüttet, so daß ein chaotisches System aus tiefen Schluchten und Geröllhügeln entstanden ist, durch die nur wenige Zuwege, teilweise auf einem ehemaligen Bahndamm führen.
Der logischste Weg für eine halbblinde Katze, überhaupt so weit in dieses Gebiet vorzudringen, ist der breite Pferdeweg, den wir letztlich auch genutzt haben und an dessen unteren Ende wir sie in den Brombeerranken verfangen, aufgefunden hatten - aber warum sie überhaupt in diese Richtung gelaufen ist, wird wohl für immer ihr Geheimnis bleiben.
Jetzt folgt sie jedenfalls ihrer Besitzerin auf Schritt und Tritt, und der älteren Dame geht es auch besser - drei Wochen lang hat sie jeden Tag von der Terrasse aus nach ihrer Katze gerufen und sich gesorgt, während alle sagten - nach der Zeit wird das nichts mehr, doch zum Glück lagen sie falsch :)