19. Februar 2009

Outdoorchurch





Eine kleine Kuriosität in unserer Nachbarschaft ist die Nachbildung der Grotte von Lourdes in einem Ahornhain hinter dem katholischen Friedhof.
Sie atmet immer noch ein bißchen den Pioneergeist der Zeit, wie die Menschen damals anfingen sich irgendwo niederzulassen und die ersten Gottesdienste noch nicht in einer Kirche stattfinden konnten, sondern einfach unter freiem Himmel, mit einem Tisch als Altar... und vielleicht hat das auch etwas zu ihrer Popularität als “Outdoor”-Kirche beigetragen - wenngleich die Geschichte der 'Grotto des Lourdes' ein bißchen anders verläuft...

Ab 1887 gab es einen kleinen Kirchenkomplex in dem francocanadischen Städtchen Janeville, das damals noch nicht mit Ottawa zusammengewachsen war.
Das bereits seit längerem bestehende missionarische Kloster der Montfort-Brüder wurde durch die Kirche Notre-Dame de Lourdes ergänzt sowie einem Damen-Kloster der Filles de la Sagresse und der St-Jean Schule... (An die Montfort-Brüder erinnert eine leicht fanatisch aussehende Statue im Kirchenhain...)
Für die Schule wurde jährlich im Winter eine Nachbildung der Lourdes-Grotte aus Schnee erbaut (eher aus Nationalstolz und als Weihnachtsdekoration, als aus religiösen Überzeugungen), die sich bald auch unter der Bevölkerung so großer Beliebheit erfreute, dass ab 1908 ein fester Marienschrein aus Fels und Zement errichtet wurde, ein erhöhter Altarbereich mit Kreuz und Altarfiguren, sowie der Kreuzweg Jesu in verglasten Relieftafeln entlang der Wege aufgestellt wurde..
Marienschreine waren damals sehr populär, denn die traditionellen europäischen Wallfahrtsorte waren verständlicherweise schwer zu erreichen, so entstand z.B. allein in Ontario, 1908 eine weitere Kopie der Lourdes-Grotte.


Die Heiligkeit der Lourdes-Kopie wurde dadurch erklärt, dass ein Stein aus der Originalgrotte, sowie ein Briefbeschwerer mit einem Kettenstück der an der Originalgrotte gekauft wurde, ebenfalls in den Zement eingelassen wurde. So wurden also Reliquien aus Souvenirs... und die vielen Dankestafeln im Hain bezeugen, dass es offenbar trotzdem wirkt.


Im Mai, 1911 wurde die erste öffentliche Messe gehalten und seitdem ist die Grotto bis heute für die Öffentlichkeit zugänglich. Gottesdienste werden nur im Sommer gehalten, aber das Kirchenareal ist ganzjährig geöffnet, genauso wie das Häuschen, in dem die Kerzenhalter stehen und man eine Kerze nach Heil-Wunsch und Geldbeutel anzünden kann: Große Probleme = zwei Dollar, für kleinere Problemchen reicht auch das Teelicht für 50 Cents.
Das Kerzenhäuschen ist auf jeden Fall ein guter Aufenthaltsort, wenn man sich im Winter einfach kurz aufwärmen möchte, ehe es weiter nach Hause geht...
Der Charakter des Hains hat sich etwas verändert, denn heutzutage sind es eher die polnischen Einwanderer, die Gottesdienst und Kirche betreuen und so wird der französiche Einfluss langsam geringer... aber das ist der Lauf der Zeit ... :-)



Das fand ich hinter dem Altar, in das Holzkreuz geritzt:


Hinter der Grotte beginnt der Notre-Dame Friedhof, an den sich der viel größere Beechwood-Friedhof anschliesst. Beide Friedhöfe haben fast die Funktion von großen innerstädtischen Parks, die mit ihrer Population von hunderten von Eichhörnchen und zahlreichen Murmeltieren bei weitem nicht so still sind, wie man vielleicht annehmen könnte.
Diese Friedhöfe erzählen sehr viel über die Einwanderungsgeschichte (und Geschichten) dieser Stadt, über die abgegrenzten eigenen Areale der italienischen, irischen, polnischen und chinesischen Einwanderer, während Skandinavier, Engländer, Franzosen und Deutsche zu Kanadier wurden, vermischt heirateten und auch im Tode keine eigenen Areale mehr benötigten...
Besonders als ich im Herbst den Beechwood-Friedhof besuchte, war die Farbenexplosion der Ahornbäume unbeschreiblich leuchtend und die geschützten Wege sobald die Sonne schien, trotz des späten Oktobers noch sehr warm, aber erst der Schnee gibt dem Friedhof einen eigenen Anspruch von Vergangenem und Ruhe..und ich bin schon gespannt, wie das Frühjahr aussieht, der erste Eichhörnchen-Nachwuchs tobt bereits herum, aber das wird sicher noch mehr...
Hier sind ein paar Bilder der Friedhöfe von meinen Spaziergängen aus drei Jahreszeiten:

Cemetry

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