Der Samstag begann sonnig und kühl. Vor dem Frühstück versammelte sich die Hausgemeinschaft im Hof. Anand wurde die Ehre zuteil, die Flagge zu hissen und eine Kokusnuss zu zerschlagen. Danach wurden Schriften vorgelesen, Lieder gesungen, Süßigkeiten verteilt und Indien gefeiert. Diese Art von Nationalstolz wird man als Deutscher wohl nie verstehen, es sei denn es ist Fußball-WM.
In einer Nachbarswohnung fand eine Puja statt, zu der ein Pandit genannter Priester diverse rituelle Handlungen vornahm, u.a. wurden Blätter um eine Götterstatue verteilt und davor saß ein junger Mann mit einem Waschlappen auf dem Kopf. Dazu mussten wir wieder andere Süßigkeiten essen. Ein indisches Sprichwort besagt, dass man nachdem man etwas Süßes gegessen hat, nur nette Dinge sagen wird, also wurden wir an dem Tag wirksam von jedem Fluchversuch bewahrt. Zum Frühstück waren wir dann auch kein bißchen hungrig und sahen uns lieber die offizielle Parade im Fernsehen an. An diesem Tag gedenkt Indien der Einführung der Demokratie im Lande und damit der Schaffung der größten Demokratie der Welt. (Ich gedachte ein wenig der Zwischenprüfung, die ich an dem Tag hätte absolvieren müssen, wenn ich in Rostock geblieben werde und war kein bißchen neidisch.)
Am frühen Nachmittag machten wir uns auf den Weg zur Wohnung von Anands Schwester. So wie Dombivli an einem Ende von Mumbai liegt, wohnt sie an einem anderen. Ein von Vorort-zu Vorortzug verbindet diese, so dass man nicht erst nach Mumbai herein und wieder heraus fahren muss und nebenbei auch zwei Stunden Fahrtzeit spart. Der Zug fährt von der Copar-Station ab. Das ist ein neuer Bahnhof in Dombivlis bestenem Stadtteil. Dort werden neue Wohn-Hochhäuser gebaut und die Menschen sehen reicher und westlicher aus. Gleichzeitig sah ich aber auch die ersten Bettler. In der Straße von Anands Eltern sind die Menschen vielleicht nicht so reich, aber auch nicht so arm wie dort. Auf den Baustellen leben mit den Bauarbeitern auch deren Familien und hoffen später einen kleinen illegalen Laden neben den neuen Wohnungen betreiben zu können. Klappt das nicht, bzw. manchmal werden sie auch von den Bewohnern vertrieben, ziehen sie weiter zur nächsten Baustelle. Diesmal fuhren wir nicht in getrennten Abteilen im Zug. Da es ein Feiertag war und die Büros geschlossen, waren viele Familien unterwegs und es war überall sehr voll. Beim Einsteigen in den Zug bekam ich einen Schubs gegen mein Bein und mein Schuh (ich hatte meine neuen schwarzen Schuhe angezogen) blieb im Einstiegseisen stecken. Als ich den Fuß zurückzog, löste sich der Schuh und viel herunter ins Gleisbrett. Ich stand also semi-barfuss im Zug. Da der eine Schuh nun nutzlos war, warf Anand ihn zum anderen, mit der Bemerkung: “Vielleicht kann jemand sie noch gebrauchen”. Das alles geschah im Bruchteil von Sekunden, während der Zug bereits abfuhr. Ich war geschockt und konnte gar nichts sagen, es ging einfach zu schnell und auch Anand fing nicht an zu schimpfen, so wie sonst immer wenn ich mich landesuntypisch ungeschickt benehme. Nach einiger Zeit hatte er sich so weit gefasst, dass er meinte: “These were really good shoes”- “Yeah” war alles was ich darauf anworten konnte :-((((
Nun waren das meine einzigen Schuhe, die ich mitgenommen habe und die Wege zu den Bahnhöfen nicht unbedingt gefegt. Also brauchte ich schnellstmöglich ein paar neue.In einem Anschlussbahnhof,stiegen wir aus und suchten im nächsten Schuhladen ein paar einfache und preiswerte Schuhe. Diese Station war schon wesentlich näher zum Stadtkern von Mumbai gelegen und dementsprechend teurer. Selbst einfachere Schuhe als meine, kosteten um die zehn Euro. Wir fanden aber ein Paar für fünf Euro.
Groß handeln konnte Anand diesmal nicht, auch Verkäufer erkennen eine Notsituation wenn sie sie sehen (man kann ohne Schuhe schlecht sagen, okay gehe ich eben in einen anderen Laden, es kommt ja nicht darauf an...). An der Bahnstation beobachtete ich Straßenkinder (einfach zu erkennen, an den braunen verfilzten Haaren – im Gegensatz zu dem glänzenden glatten Schwarz der anderen Kinder), die obwohl ihr Job Betteln ist, das einfach nicht taten und lieber spielten, bis eine Frau mit Stock kam und sie verprügelte. Ich kann mir so ein Leben schwer vorstellen und sehe daran nur, dass wenn man den Kindern Geld gibt, es ihnen selbst weniger hilft (nur ihren Aufsehern), als wenn man ein paar Süßigkeiten dabei hat.
Die Bahnstation in den Nähe der Wohnung von Anands Schwester heißt 'Nallasopara'.
Der Ort liegt idyllisch zwischen hochaufragenden Bergen und die Luft ist weit weniger staubig als in Dombivli. In manchen Berghöhen sah man Tempel und Moscheen aufragen, zu denen lange Treppenwege führten. Im Ort war es ruhiger und weniger hektisch, die Häuser sind neuern Datums und auch die Wohnung von Anands Schwester, hatte mit Couch, Waschmaschine, echtem Geschirr, einen ähnlichen Komfort, wie in vergleichbaren westlichen Wohnungen.
Zu Besuch war auch eine ältere Schwester von Anands Schwager. Sie fand den Fakt, dass ich nicht indisch war, eher unschön und wollte mir als erstes wenigstens einen indischen Namen verpassen. Das machte sie mir spontan (etwas) unsympatisch. Anands Neffe Tarun, machte den üblichen Blödsinn, für den er berühmt ist und mit in der Wohnung wohnt die Tochter von einem anderen Bruder der Familie, Mamta. Sie wird in diesem Jahr verheiratet werden.
Am Abend fuhren wir zu einem Indoor-Spielplatz mit der Rikshaw. Diese Spielplätze finden sich in vielen ShoppingMalls, Multiplex-Cinemas u.a. Großhallen. Sie bestehen aus einer Ansammlung von elektrischen Motorrädern, Spielautomaten, Mini-Eisenbahn u.s.w. Tarun interessiert sich nur für Motorräder vor Computerbildschirmen, während Anand und sein Schwager, Körbe beim Basketballspiel warfen und eine Art Laser-Billiard. Der Hauptzweck der Spiel-Automaten für Kinder ist der gleiche, wie bei Erwachsenen, man muss überall bezahlen. Nach einem (abgepackten) Eis für alle und eine Kugel Butterscotch für Anand, (das hatte er drei Jahr vermisst) ging es über zum Abendessen - es war schon kurz vor Mitternacht. Danach begann Anands Schwager mit der Präsentation seiner Arbeit. Er arbeitet an Computeranimationen und Special Effects für Filme, mit einer kürzlichen Erweiterung auf 3-D-Animation und hatte zahlreiche Demo-Dvds zum Zeigen. Das war sehr interessant, aber gegen Mitternacht, bin ich meist nur noch eins, nämlich müde. Während Anand also, kluge Fragen stellen konnte, bemühte ich mich erfolglos die Augen offenzuhalten, so dass ich dann auch bald schlafen ging.
In einer Nachbarswohnung fand eine Puja statt, zu der ein Pandit genannter Priester diverse rituelle Handlungen vornahm, u.a. wurden Blätter um eine Götterstatue verteilt und davor saß ein junger Mann mit einem Waschlappen auf dem Kopf. Dazu mussten wir wieder andere Süßigkeiten essen. Ein indisches Sprichwort besagt, dass man nachdem man etwas Süßes gegessen hat, nur nette Dinge sagen wird, also wurden wir an dem Tag wirksam von jedem Fluchversuch bewahrt. Zum Frühstück waren wir dann auch kein bißchen hungrig und sahen uns lieber die offizielle Parade im Fernsehen an. An diesem Tag gedenkt Indien der Einführung der Demokratie im Lande und damit der Schaffung der größten Demokratie der Welt. (Ich gedachte ein wenig der Zwischenprüfung, die ich an dem Tag hätte absolvieren müssen, wenn ich in Rostock geblieben werde und war kein bißchen neidisch.)
Am frühen Nachmittag machten wir uns auf den Weg zur Wohnung von Anands Schwester. So wie Dombivli an einem Ende von Mumbai liegt, wohnt sie an einem anderen. Ein von Vorort-zu Vorortzug verbindet diese, so dass man nicht erst nach Mumbai herein und wieder heraus fahren muss und nebenbei auch zwei Stunden Fahrtzeit spart. Der Zug fährt von der Copar-Station ab. Das ist ein neuer Bahnhof in Dombivlis bestenem Stadtteil. Dort werden neue Wohn-Hochhäuser gebaut und die Menschen sehen reicher und westlicher aus. Gleichzeitig sah ich aber auch die ersten Bettler. In der Straße von Anands Eltern sind die Menschen vielleicht nicht so reich, aber auch nicht so arm wie dort. Auf den Baustellen leben mit den Bauarbeitern auch deren Familien und hoffen später einen kleinen illegalen Laden neben den neuen Wohnungen betreiben zu können. Klappt das nicht, bzw. manchmal werden sie auch von den Bewohnern vertrieben, ziehen sie weiter zur nächsten Baustelle. Diesmal fuhren wir nicht in getrennten Abteilen im Zug. Da es ein Feiertag war und die Büros geschlossen, waren viele Familien unterwegs und es war überall sehr voll. Beim Einsteigen in den Zug bekam ich einen Schubs gegen mein Bein und mein Schuh (ich hatte meine neuen schwarzen Schuhe angezogen) blieb im Einstiegseisen stecken. Als ich den Fuß zurückzog, löste sich der Schuh und viel herunter ins Gleisbrett. Ich stand also semi-barfuss im Zug. Da der eine Schuh nun nutzlos war, warf Anand ihn zum anderen, mit der Bemerkung: “Vielleicht kann jemand sie noch gebrauchen”. Das alles geschah im Bruchteil von Sekunden, während der Zug bereits abfuhr. Ich war geschockt und konnte gar nichts sagen, es ging einfach zu schnell und auch Anand fing nicht an zu schimpfen, so wie sonst immer wenn ich mich landesuntypisch ungeschickt benehme. Nach einiger Zeit hatte er sich so weit gefasst, dass er meinte: “These were really good shoes”- “Yeah” war alles was ich darauf anworten konnte :-((((
Nun waren das meine einzigen Schuhe, die ich mitgenommen habe und die Wege zu den Bahnhöfen nicht unbedingt gefegt. Also brauchte ich schnellstmöglich ein paar neue.In einem Anschlussbahnhof,stiegen wir aus und suchten im nächsten Schuhladen ein paar einfache und preiswerte Schuhe. Diese Station war schon wesentlich näher zum Stadtkern von Mumbai gelegen und dementsprechend teurer. Selbst einfachere Schuhe als meine, kosteten um die zehn Euro. Wir fanden aber ein Paar für fünf Euro.
Groß handeln konnte Anand diesmal nicht, auch Verkäufer erkennen eine Notsituation wenn sie sie sehen (man kann ohne Schuhe schlecht sagen, okay gehe ich eben in einen anderen Laden, es kommt ja nicht darauf an...). An der Bahnstation beobachtete ich Straßenkinder (einfach zu erkennen, an den braunen verfilzten Haaren – im Gegensatz zu dem glänzenden glatten Schwarz der anderen Kinder), die obwohl ihr Job Betteln ist, das einfach nicht taten und lieber spielten, bis eine Frau mit Stock kam und sie verprügelte. Ich kann mir so ein Leben schwer vorstellen und sehe daran nur, dass wenn man den Kindern Geld gibt, es ihnen selbst weniger hilft (nur ihren Aufsehern), als wenn man ein paar Süßigkeiten dabei hat.
Die Bahnstation in den Nähe der Wohnung von Anands Schwester heißt 'Nallasopara'.
Der Ort liegt idyllisch zwischen hochaufragenden Bergen und die Luft ist weit weniger staubig als in Dombivli. In manchen Berghöhen sah man Tempel und Moscheen aufragen, zu denen lange Treppenwege führten. Im Ort war es ruhiger und weniger hektisch, die Häuser sind neuern Datums und auch die Wohnung von Anands Schwester, hatte mit Couch, Waschmaschine, echtem Geschirr, einen ähnlichen Komfort, wie in vergleichbaren westlichen Wohnungen.
Zu Besuch war auch eine ältere Schwester von Anands Schwager. Sie fand den Fakt, dass ich nicht indisch war, eher unschön und wollte mir als erstes wenigstens einen indischen Namen verpassen. Das machte sie mir spontan (etwas) unsympatisch. Anands Neffe Tarun, machte den üblichen Blödsinn, für den er berühmt ist und mit in der Wohnung wohnt die Tochter von einem anderen Bruder der Familie, Mamta. Sie wird in diesem Jahr verheiratet werden.
Am Abend fuhren wir zu einem Indoor-Spielplatz mit der Rikshaw. Diese Spielplätze finden sich in vielen ShoppingMalls, Multiplex-Cinemas u.a. Großhallen. Sie bestehen aus einer Ansammlung von elektrischen Motorrädern, Spielautomaten, Mini-Eisenbahn u.s.w. Tarun interessiert sich nur für Motorräder vor Computerbildschirmen, während Anand und sein Schwager, Körbe beim Basketballspiel warfen und eine Art Laser-Billiard. Der Hauptzweck der Spiel-Automaten für Kinder ist der gleiche, wie bei Erwachsenen, man muss überall bezahlen. Nach einem (abgepackten) Eis für alle und eine Kugel Butterscotch für Anand, (das hatte er drei Jahr vermisst) ging es über zum Abendessen - es war schon kurz vor Mitternacht. Danach begann Anands Schwager mit der Präsentation seiner Arbeit. Er arbeitet an Computeranimationen und Special Effects für Filme, mit einer kürzlichen Erweiterung auf 3-D-Animation und hatte zahlreiche Demo-Dvds zum Zeigen. Das war sehr interessant, aber gegen Mitternacht, bin ich meist nur noch eins, nämlich müde. Während Anand also, kluge Fragen stellen konnte, bemühte ich mich erfolglos die Augen offenzuhalten, so dass ich dann auch bald schlafen ging.
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