8. Februar 2008

Hilfe, ich habe ein Farbproblem I


Breakfast time
Irgendwie war ich am Mittwoch, noch erkälteter und hatte auch leichtes Fieber. Trotzdem wollten wir heute einkaufen gehen, und zwar einen Saree für festliche Gelegenheiten. Ich hätte zwar lieber mit einem einfachen Haussaree angefangen, um überhaupt ein Gefühl für Material und Farben zu bekommen, aber das war der Plan. Während ich also schniefend und schnaubend meinen Papier-Taschentücher-Vorrat aufbrauchte wurden die Hilfen an meiner Seite organisiert. Mit zum Saree-Einkauf würden, die Nachbarin, Anands Schwägerin und widerstrebender Weise Anand selbst kommen (Frauen und Einkaufen, pffff).
Aber, zuerst erklärte mir Anands Mutter ein paar Besonderheiten in ihrem Haus. So ist es z.B. Frauen, die ihre Periode haben, nicht gestattet in die Küche zu gehen, da dort der Hausaltar steht, d.h. aber auch sie können in der Zeit nicht kochen. In vielen Familien wird dies also aus praktischen Gründen nicht befolgt, aber in Anands Familie hält man sich daran. Seine Mutter erklärte, dass in früheren Zeiten, als es noch keine diversen Hygieneprodukte gab, die Frauen sich nicht so sauber halten konnten und es deswegen auch unhygienisch war, wenn sie kochten. Außerdem meinte sie, sind die meisten Frauen in den ersten drei Tagen ihrer Regel, nicht zurechnungsfähig... . Nach der Zeit in der man seine Regel hatte, wäscht man sich die Haare und darf auch die Küche wieder betreten. Auf meine Frage, warum alle Frauen, die Kinder geboren haben, so dicke Bäuche haben, gab sie mir eine eher überraschende Antwort. ich dachte, dass es mit fehlender Rückbildungsgymnastik nach der Geburt zu tun hätte. Aber sie erklärte mir, dass diese Frauen meist Kaiserschnitt-Geburten hätten und aufgrund einer Kontrareaktion während der OP, rutschen Organteile in den freien Bauchraum, den vorher das Kind ausfüllte. Kaiserschnitt ist die häufigste Geburtsform in indischen Mittelklassefamilien, weil die Ärzte den Frauen immer dazu raten, bzw, teilweise auch einschüchtern, denn es geht schneller und sie bekommen das doppelte Geld.
Aber nun zum Saree-Kauf. Mir wurden direkt die Sarees gezeigt, von denen ich einen kaufen sollte, und mir gefielen sie einfach nicht. Der Stoff war dünn und weich und mit sehr großen Plastik-bling-bling-Steinen besetzt, die schwere Glassteine vorgaukeln sollten, aber einfach nur wie das aussahen, was sie waren: Kunststoff en masse. Damit, diese Pracht richtig zur Geltung kam, wurden der Stoff-Farbe etwas grau beigemischt, so dass die Sareefarben weniger leuchteten als die Plastesteine. Das Ergebnis bildeten Sarees, die nicht nur staubig, sondern in meinen unwissenden europäischen Augen auch billig aussahen. Nachdem ich also geschätzte hundert Sarees auf dem Tisch liegen hatte und staubig weder an rot, gelb, grüngelb oder türkis gutaussah (hellblau habe ich bisher noch nirgends entdecken können, Blautöne werden immer mit grün abgemischt) und die einzige Farbe ohne grau ..pink war- ein Pink, dass selbst Barbie in den Augen weh getan hätte- durfte ich mir andere Sarees ansehen. Ich wußte was von mir erwartet wurde, aber ich bekam es einfach nicht hin, einen dieser Stoffe käuflich zu erwerben. Die anderen Sarees waren dann ohne einen einzigen Plastestein (hehe) aus Seide in den leuchtesten Farben. Wie immer habe ich das Problem, dass niemand in der Lage ist, Farben auszuwählen, die mir stehen und auch ich vergreife mich manchmal in eingigen leuchtenden Farben, in denen ich aussehe wie nach langer schwerer Krankheit. Inder sind der Meinung, dass zu heller Haut jede Farbe passt, so dass meine Einkaufsberater alles wunderbar fanden und wenn ich es dann anprobierte, meine Haut plötzlich fahl aussah. Aber das konnte ich einfach niemand erklären. Wenn ich es versuchte, erntete ich absolutes Unverständnis. “Das ist so ein schöner Saree, du hast selbst gesagt, dass dir die Farbe gefällt und jetzt sagst du, dir gefällt das nicht??!”- “Arghhh-- Ja,MirGefälltDerSaree!AberNeinNichtAn Mir,IchWünschteEsWäreAndersUndIchWürdeTollInTürkiserSeideAussehen,AberEsIstNunmalNichtSoUndDeswegenMussIchDasAkzeptieren,DamitIchMichInMeinenSachenWohlfühlePunkt!” Nun, genauso hätte ich mit einer Wand reden können. Letztlich entschied ich mich für einen Saree in der Farbe Kastanienrot/braun mit orangener Umrandung und als ich noch mit mir rang, ob ich einen zweiten benötigen würde (die türkise Seide sah wirklich so toll aus, vielleicht würde ich ja jemanden finden der gut darin aussah), erklärte die Nachbarin mir (gegen den Widerstand der Verkäufer), dass ich den nicht benötigen würde, da die Gelegenheiten für festliche Sarees eben selten sind und ich für das Geld lieber normale kaufen soll. Das war wirklich hilfreich und konnte de ich-will-kaufen-Bann wirksam brechen. Nachdem ich mich so gar nicht für die staubigen bling-bling Stoffe begeistern konnte, hatte sie sich aus dem weiteren Verkaufsgespräch zurückgezogen um sich nun im richtigen Moment wieder einzuklinken. Anands Schwägerin, mag ich wirklich sehr gerne, aber sie konnte mir nicht helfen, weil sie weder ja noch nein sagt, sondern immer alles dazwischen ohne sich selbst zu entscheiden. Sie war aber voller Mitgefühl für mich, dass ich-verschnupft und fiebrig- mit dem Berg Sarees und drei Verkäufern alleine dastand. Der Saree kostete umgerechnet 100 €, was ich als sehr teuer ansah. Wieviel teurer muss es den anderen vorkommen. Ich werde den Saree also zu jeder sich bietenden festlichen Gelegenheit anziehen müssen, damit sich das rentiert. (Nur im Nebensatz sei gesagt, dass ich lieber in einen anderen Laden gegangen wäre, wo es die lokalten Maharathi-Muster gibt, die mir viel besser gefallen und die ich seit Tagen im Schaufenster bewunderte..)
Danach suchten wir nach dem dazu passenenden Schmuck. In einem Geschäft fanden wir sehr schönen dunkelroten Modeschmuck und es war auch nicht so teuer, aber noch zu teuer in den Augen von Anands Nachbarin. Mir war so langsam alles egal, ich wollte nur noch nach Hause, das Fieber stieg und mit der Zeit wird es immer etwas anstrengend, ständig angestarrt zu werden. Vor allem wenn man sich selbst schlecht fühlt. Laut Anand wurde ich auch einmal angebaggert: gut, dass ich kaum hindi verstehe.
Schon im fünften Geschäft fand sie dann wesentlich billiger aussehenden und unwesentlich billigeren Schmuck, der so ähnlich aussah wie der erste. Den kauften wir um endlich nach Hause zu kommen. Er besteht aus einer Kette, aber diese Art von Ketten finde ich generell immer übetrieben, ich betrachte mich also nicht als Maßstab, aus Ohrringen, etwas was in den Scheitel gesteckt wird, einer passenden Klammer, damit der Saree nicht herunterfällt und jede Menge Armreifen. Letztlich waren wir mit diesem Teil des Einkaufs doch ganz zufrieden. Zu Hause wurde Anands Mutter nochmals durch den falschen Saree geschockt, (”This one!!?!”) den ich gekauft hatte, aber den Schmuck fand sie auch ok ay. Da Anands Vater ein weiteres Götterposter für die Wohnung gekauft hatte, wurde die Göttin zuerst damit geschmückt und danach wanderte sie in zum Hausaltar in der Küche. Die kleinen Götterpuppen auf dem Hausaltar bekommen übrigens nicht nur täglich etwas zu essen, sondern werden auch regelmäßig neu angezogen (im Winter in Wolle), abends schlafen gelegt und zugedeckt.
Nach dem Einkaufsstress des Tages waren meine letzten Energiereserven aufgebraucht und das Fieber machte Paracetamol sowie rasche Bettruhe (ohne Ventilator mit langen Socken, Pullover usw.) notwendig.

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