26. Juni 2011

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Heute haben Anand und ich Teile unseres sozialen Lebens getrennt. Zu den Veranstaltungen der indischen Studentenvereinigung geht er alleine, zu den Treffen des deutschen Stammtisches gehe ich alleine. Der Teufel liegt natürlich im Detail, denn während die Studentenveranstaltungen tagsüber bis früher Abend im Veranstaltungsraum des Studentendorfs Fort Ethan Allen stattfinden, werde ich nicht abends alleine durch die Innenstadt laufen können (und vor allem nicht durch Old North End) um von einem Stammtisch sicher nach Hause zurückkehren zu können. Was dazu führt, daß mein aber nicht sein gesellschaftliches Leben noch weiter eingeschränkt werden wird, was wiederum dazu führt, daß mir meine lieber Mann noch öfter vorwerfen wird, daß nur mein unsoziales Verhalten dazu führt, daß ich alleine bin.
Nun ja, aber diesmal habe ich ihm wirklich eine Steilvorlage geliefert. Die Studententreffen waren einfach schon seit langem untragbar geworden. Ich habe es oft genug versucht, aber in großen Gruppen, getrennt nach Männern und Frauen sich häufig nur in hindi bzw. bengali unterhaltend, kann ich mich nicht wohl fühlen. Selbst wenn die Unterhaltungen in englisch geführt werden, dann drehen sie sich um die Universität - ich bin nicht bei UVM, die Laborbedingungen - ich arbeite nicht im Labor, das Leben im Studentendorf - ich wohne dort nicht, was bedingt, daß man sich vielleicht fünf Minuten über das Wetter und meine Katzen unterhalten kann und dann sitze ich wieder alleine herum und in einer großen Gruppe alleine zu sein, tut weh. Es geht nicht um die Menschen dort, es sind sicher liebe nette Leute, aber ich finde auf solchen Festen keine Möglichkeit mit ihnen irgendeine Gemeinsamkeiten zu entdecken und privat trifft man sich eben nicht, denn zwischen Studentendorf und Innenstadt liegt eine halbstündige Busfahrt und ein Busplan der am Samstag mit einer Handvoll Bussen aufwartet (Samstag ist quasi ein normaler Arbeitstag in den Laboren) und am Sonntag gibt es gar keinen öffentlichen Busverkehr... gegenseitige Wochenendbesuche erübrigen sich da fast immer.
In der Vergangenheit habe ich das zwar völlig verstimmte, aber funktionsfähige Klavier im Veranstaltungsraum gespielt, seit meine Hand gebrochen war, habe ich die in einer Ecke gestapelten Kinderbücher gelesen. Vor kurzem las ich das letzte der Bücher, seitdem wusste ich gar nichts mehr mit mir anzufangen. Aufgeben schien meine einzig vernünftige Alternative. Anand hatte dagegen beim ersten deutschen Stammtisch Besuch eine schlechte Erfahrung gemacht, was sich in Folgebesuchen nie wiederholte, im Gegenteil er fand es jeweils besser als zuvor und dennoch kommt er dorthin mit mürrischem Gesichtsausdruck und verschränkten Armen, was besagt, ihr wollt mich hier sowieso nicht, also wagt es ja nicht mich anzusprechen und griff natürlich nach der ersten Möglichkeit sich der unliebsamen Pflicht in irgendeiner Weise mit der Sprache und Traditionen seiner Frau verbunden sein zu müssen, zu entledigen. Ich weiß natürlich auch, daß es keinen Sinn macht jemanden zu etwas zu zwingen, was er nicht will, ich fand es nur ein bißchen unverhältnismäßig, daß er zu dieser Entscheidung nach drei Besuchen kommt, während ich es immerhin schon seit fast einem Jahr mit der Studentengruppe versuche...
Doch in letzter Zeit hatten wir soviele Probleme und Mißverständnisse miteinander, daß ich nicht die Kraft habe bei jedem neuen überhaupt noch zu kämpfen, ich möchte einfach nur noch in Ruhe gelassen werden und ich hoffe sehr, daß mir der Besuch in Ottawa die dringend benötigte Verschnaufspause geben wird und danach geht es hoffentlich mit neuer Geduld, Mut und guter Laune zurück in unser verrücktes, multikulturelles Leben in einer ignoranten amerikanischen Kleinstadt.

1 Kommentar:

  1. Liebe Thea,

    ich kann Dich sehr gut verstehen, dass Du Dir bei solchen Treffen wie das sprichwoertliche 5. Rad am Wagen vorkommst. Erstens die Trennung zwischen Maennlein und Weiblein und dann die Themen der Frauen/Maedchen, die nunmal nicht "unsere" sind. Ich habe mit indischen Frauen in meinem Umkreis (meist Buero) soviel gemeinsam wie mit einem Toasbrot, denn groesser koennten die Interessensunterschiede nicht sein, weswegen ich mich ueberwiegend mit den Maennern "abgebe".

    Also troeste Dich, es liegt nicht an Dir und Deinem "fehlenden Sozialverhalten", es liegt an vielen kleinen Unterschieden. Von daher denke ich, dass diese Trennung gut ist, so bekommt jeder, was er moechte und fuehlt sich am Ende des Tages (hoffentlich) wohl.

    LG
    Kerstin

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