17. März 2008

Ein kleiner Hund stirbt

Der Sonntag begann wie der Samstag aufgehört hatte, wie warteten am Bahnhof auf den richtigen Zug, Diesmal würden wir Verwandte in Bombay besuchen. Der Herr des Hauses und Anands Großvater waren Cousins und ich dachte darüber nach, ob ich einen Cousin meines Großvaters überhaupt noch zur Verwandtschaft gehörig gezählt hätte (geschweige denn, dass ich gar keinen Cousin meines Großvater kenne...). Während wir auf den Zug warteten, lag nicht weit von uns entfernt ein zwei Monate alter Welpe, in seinen letzten Zügen. Man konnte zusehen wie er starb. Die Menschen gingen achtlos an ihm vorbei und ich konnte es einfach nicht mitansehen. Auch wenn ich schon so ziemlich alles Tote auf den Straßen herumliegen sah, seit ich hergekommen bin, fing ich bei dem Anblick fast an zu weinen. Als der Zug kam, hatte ich immer noch ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht wenigstens versucht hatte zu helfen, ihm Wasser einzuflössen oder sonst was um sein Sterben erträglicher zu machen und gleichzeitig ärgerte ich mich, dass es mir so viel ausmachen konnte einen Hund leiden zu sehen, angesichts des menschlichen Elends überall um mich herum.
Der Cousin des Großvaters hatte es zu etwas gebracht im Leben. Er war der Direktor des größten Krankenhauses in Bombay und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Auch seine Tochter hat eine medizinische Laufbahn eingeschlagen. Sie lebten in einer großen Wohnung im Regierungsviertel. Leider waren die Lebenswelten zwischen diesen Verwandten und Anand so unterschiedlich, dass sie sich nicht so viel zu sagen hatten, auch wenn sie es versuchten, blieben sie sich untereinander fremd.
Das Essen aber war großartig. Weil ein Westeuropäer zu Besuch kam, hatten sie sich darauf vorbereitet perfekte Gastgeber zu sein, und so gab es mit Käse überbackenen Nudelauflauf, und vom indischen Essen wurde quasi erwartet, dass ich es nicht mögen würde. Dazu gab es Baguette, sowie eine Entschuldigung, kein dunkles Brot gekauft zu haben (eeks), ich bekam natürlich Pepsi zu trinken (ich wollte erst nicht, wurde aber geschätzte 10 Mal gefragt und als ich endlich einwilligte, waren alle zufrieden, hatten sie doch gewußt, dass ich genau das benötigen würde) und mein persönlicher Favourit des Tages, bildeten Erdbeeren mit Sahne (ja ich weiß, ich soll keine rohen Früchte essen, aber es gibt Dinge, die sind es einfach wert ...) Zum Abschied bekamen die Damen des Hauses, die üblichen glückbringenden 101 Rs. von uns, aber sie gaben mir stattdessen, ein Lehenga- Set, bestehend aus Top, Rock und Stola, sowie dazupassendem Schmuck-Set und Bindis und ließen mich ersteinmal sprachlos zurück. Das hatte auch Anand nicht erwartet und ich fragte ihn ob ich das überhaupt annehmen kann. Aber er meinte, ich sollte und ich war nicht unglücklich darüber.
Mit vielen weiteren Tips, was man in Mumbai und Rajasthan gesehen haben sollte, verließen wir das Haus und sahen uns das Haji Ali Dargah an. Das ist das Mausoleum für den muslimischen Heiligen Haji Ali. Ein steiniger Damm führt von der Küstenstraße ca. 500 Meter in die BackBay und an dessen Ende befindet sich das Heiligtum. Da der Damm nicht sehr hoch ist, kann man den Schrein nur während der Ebbe besuchen. Auf dem Weg dorthin, sieht man mitten in den sonst vom Wasser bedeckten Gebieten, Kinder Kricket spielen, im Müll wühlen ein paar Ziegen nach Essbaren und der gesamte Damm ist voller Pilger und Besucher. Außerdem gibt es sehr viele Bettler mit den verschiedensten Verkrüppelungen, die laut singend ihre Spenden einfordern. Wenn man kein Kleingeld hat, kann man es an Ort und Stelle wechseln- auch Betteln ist nur ein Geschäftszweig. Wie in allen muslimischen Gebäuden üblich, ist ein Teil extra für Frauen reserviert. So konnte ich, nachdem ich meine Schuhe in Anands Obhut gegeben hatte, den mit Perlmutt ausgekleideten Innenraum ansehen und dem Heiligen meinen Respekt erweisen ehe wir diesen Tag weit profaneren Dingen widmeten und zwei Einkaufszentren (Phönix-Mall und SkyOne) besuchten. Diese waren aber wie an jedem Sonntag dermassen überfüllt, dass wir uns bald wieder nach draußen flüchteten und die Rückfahrt nach Dombivli antraten. Als wir gegen 9.00 Uhr ankamen, erklärte uns Anands Vater, dass sich der Cousin des Großvaters extra Zeit für uns genommen hatte, denn ansonsten sagt er nur 'hallo' zu den Besuchern und verschwindet in sein Arbeitszimmer, dann bewunderten wir meine Geschenke. Der Rock war viel zu lang und es wurde über Möglichkeiten debattiert, wie er am besten zu kürzen sei, Anands Mutter meinte man kann den Bund doch einfach so lange umkrempeln bis die Länge stimmt, während Anands Vater mehr für die Möglichkeit abschneiden und Gummibund einziehen war. Das machte auch für mich Sinn, denn ich wachse bestimmt nicht mehr in die Höhe. So endete auch dieser lange Tag unspektakulär und ruhig.

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