17. März 2008

Indian-from the North?

Am Samstag fuhren wir zurück ins alte Bombay. Ich trug meinen neuesten Salwar Kameez und versuchte mich daran zu gewöhnen. Damit ich nicht den alltäglichen Zugwahnsinn erleben musste, fuhren wir erste Klasse (mit einem 3-Tages Ticket), das garantierte zwar keinen sofortigen Sitzplatz, aber zumindest erträgliche Stehplätze.
Wir fuhren mit dem Zug bis zur Endstation Victoria Terminus/VT (Chhatrapati Shivaji Terminus) ist der größte Bahnhof Mumbais und in einem ziemlich schlechtem Zustand. Der reichgeschmückte und verzierte Bahnhof wurde 1887 im sog. Hybrid-Stil erbaut, der traditionell europäische Elemente mit traditionell orientalischen mischte. So finden sich Moschee- und Tempelelemente geschmückt mit grimmigen Gargoyles und gotischen Fresken. Man braucht eine Weile um wenigstens ein Teil der zahlreichen Details zu bewundern und ärgert sich gleichzeitig, dass in einer Multimillionenstadt wie dieser, niemand Interesse für die Instandsetzung des ehemaligen Prachtbaus zu zeigen scheint. Victoria Terminus liegt im Stadtteil Fort, dem Herzen des alten britischen Bombays. Nach dem Bahnhof besichtigten wir das im arabischen Stil erbaute Gebäude der Hauptpost, liefen die Dr DN Road entlang, deren Gebäude in klassizistischer, sowie Jugendstil-Architektur erbaut wurden und in jeder anderen Stadt, die Prachtstraße schlechthin wäre. Nicht so in Mumbai- auch hier waren die Zeichen des Verfalls überall unübersehbar.
Interessant war ein “Agiarie” (Feuer-Tempel) der Parsi-Kultur, leicht erkennbar an den großen geflügelten Figuren am Eingang (die mit ihren altväterlichen strengen Gesichtern aussehen, als seien sie gerade aus Mesopotamien ausgebuddelt worden und nicht Zeichen einer nach wie vor lebendigen Kultur) zu den aber nur Parsi Zutritt haben.
Ein Fotostop wert war auch die -einst umstrittene- Flora Fountain auf ihrer eigenen Verkehrsinsel. Danach gingen wir in die Nebenstraßen und tauchten tiefer in das Viertel ein. Die Architektur war nicht nur typisch britisch, sondern ließ auch Ansätze der portugiesischen Kolonialarchitektur erkennen mit großen schmiedeeisernen und hölzernen Balkonen. Ich mochte es, durch die engen Gassen zu laufen und versuchte mir vorzustellen, wie Europäer, hauptsächlich Engländer hier in früheren Jahrhunderten gelebt hatten und diese Stadt als Heimatstadt ansahen. Ich bemerkte auch, dass ich an dem Tag weniger angestarrt wurde als sonst. Offenbar gab mir die traditionelle Kleidung einen gewissen Schutz und ich konnte mich freier bewegen. Anand erzählte mir, dass manche Leute, die genauer hinsahen rätselten, ob ich echt indisch bin und letzlich der Auffassung waren, dass Ausländer jedenfalls nicht im SalwarKameez herumlaufen. Also musste ich indisch sein, möglicherweise aus dem Norden (jaa genau, aber ganz weit nord...), wo die Leute hellere Gesichtshaut haben ;-)
Einen Kontrapunkt zur historischen Architektur bildet, die mitten im Stadtteil gelegene Bombayer Börse. Mit ihrem schneeweißen Sichtbeton, sieht sie aus wie ein gelandetes Ufo. Weiter ging unsere Tour zum Oval Maiden, dem grünen Kricket; Badminton-u.a. Sportplatz mitten in der Stadt. Ganz in der Nähe liegt die -1870, komplett im britischen Gothic-Stil erbaute - Bombay University und daneben das höchste Gericht in Maharshtra, dem High Court. Nachdem wir uns auch den Churchgate Bahnhof angesehen hatten (beim Toilettenbesuch dort- musste ich als Ausländer 5 Rs. bezahlen, anstelle 2 wie alle anderen- deswegen wollte die Inderin nach mir gar nicht bezahlen, weil sie meinte, ich hätte für sie mitbezahlt (?!)), war es Zeit für ein (nicht-vegetarisches) Mittagessen und einem kurzen Besuch der Fashion-Street. Auf dem Weg dorthin sah ich auch das einzige Gebäude im Bauhaus-Stil, einem weiterem Parsi-Tempel. Die Fashion-Street erinnerte mich an polnische Straßenmärkte und ich war schnell genervt von mir ins Ohr brüllenden Händlern, sowie der schlechten Qualität der Waren.
Auf dem Rückweg nach Dombivli machten wir Halt am Studienort von Anand und er zeigte mir den weitläufigen ruhigen und grünen Campus-Komplex seiner Universität. Das war beeindruckend und ich mochte vorallem die offene Struktur des Gebäudes für Ingenieurswissenschaften. Danach trafen wir zwei seiner alten Studienfreunde und eine Professorin. Sie kam mir so stark und intelligent vor, dass ich an sofortigen Minderwertigkeitskomplexen litt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht einfach ist in einer so patriachalischen Gesellschaft wie Indien als Professorin zu arbeiten. Der Preis dafür ist, dass sie nie geheiratet hat und nur die Katze darauf wartet, dass sie nach Hause kommt (aber sie hat eine Katze hehheh...). Danach fuhren wir nach Hause, zwei weitere Tage mit Fahrten nach Mumbai erwarteten uns.

1 Kommentar:

  1. Hihi, witzig, dass Du alle mit Deinem Aussehen verwirrst. Und dass sie eine Katze hat. ;)

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