Am Samstag fand ein Naziaufmarsch in Wismar statt, dem selbstverständlich eine Gegendemonstration der Verbände, Parteien und Kirchen entgegenstand.
Ich wollte eigentlich an diesem Samstag mit dem Zug von Wismar nach Hamburg fahren, dachte mir dann jedoch, daß das wohl keine gute Idee sei und startete meine Reise von Rostock aus. So sah ich nur am Bahnhof Bad Kleinen einen Teil der 500 Polizisten, die den 800 Gegendemonstranten entgegenstanden und hoffte auf das Beste: daß die Welterbestadt Wismar heil bleibt, daß die Demonstrationszüge nicht aufeinandertreffen und ganz wichtig, daß weder Polizei noch Demonstranten verletzt werden.
Am Abend atmete ich auf, alles war weitgehend gut gegangen, die Stadt gerettet.
Doch woher hatte ich solche Angst? Von den Nazis war nichts zu befürchten (außer Wutanfälle, wenn man ihren Hassreden zuhören muss) denn es gehört zu ihrer Imagepflege, daß diese öffentlichen Aufmärsche geordnet verlaufen. Die friedliche Gegendemonstration von Parteien, Kirchen, Familien ... wohl kaum. Die Polizisten, die nach einem schweren Tag auch nur noch Hause wollen? – Nein, mein Problem ist der schwarze Block der Antifa... linksextreme Autonome, die jeden Grund suchen um sich mit der Polizei zu prügeln. Ein solcher Naziaufmarsch ist zwar eine Steilvorlage, aber an sich brauchen sie nicht einmal legitime Gründe um mit dem Stein in der Hand und vermummten Gesichtern ‚friedlich‘ für die Freiheit zu prügeln.
Solange diese Leute sich im Schutzmantel der friedlichen Demonstration verstecken können (sie haben sicher nicht vor friedlich zu bleiben - eine wahre Verhöhnung des Friedensgedankens) und die anderen, die tatsächlich demonstrieren wollen, sie nicht nur in ihren Reihen aufnehmen, sondern sogar die Demonstration anführen lassen, wird man mich nie bei einer Anti-Nazidemonstration sehen können (was ich ehrlich bedauere), denn es ist nur eine Frage der Zeit bis es erste Tote durch Steinschlag geben wird.
In Wismar jedoch muss großes Lob an die Umsicht der Polizei ausgesprochen werden, sie gingen auf keine Provokation der Linksextremen ein und schafften es den Zug der Rechtsextremen sicher um sämtliche Sitzblockaden herumzuführen, ein wahrer Balanceakt. Die folgende Pressemitteilung der Antifa dazu lautet natürlich wie immer ‚brutaler Polizeieinsatz, äußerste Gewalt‘ – man sollte meinen, sie hätten dazu eine Vorlage, in dem jeweils nur der entsprechende Ort verändert wird.
Bei solchen Gelegenheiten erinnere ich mich immer wieder an den G8 Gipfel in Heiligendamm/Rostock 2007 zurück, an dem ich zum ersten Mal auf die Horden des schwarzen Blocks treffen musste. Von der Hauptdemonstration hielt ich mich damals zwar auch fern (mit gutem Grund, wie sich herausstellen sollte), doch meine Schwester war mittendrin und kam mit alptraumhaften Bildern heraus von Wasserwerfern und Polizei und Menschen über Menschen, die mit viel Freude komplette Straßenzüge zerlegten und Autos ansteckten. Offenbar steckt in uns allen ein Monster, das nur darauf wartet herauszukommen und mit seinem Zerstörungswerk zu beginnen.
Ich erinnere mich, wie ich in den Tagen danach an der Schule in Lütten-Klein war und diese auf einmal geräumt werden musste, da ein Zug Linksextremer gerade einen Supermarkt überfallen hatte, versuchte diesen anzustecken und Kurs auf die Schule nahm. Plündernde und brandschatzende Horden, das liest man sonst eher in Büchern oder aus Kriegsgebieten. Alle liefen zum Bahnhof und warteten auf den Zug zurück in die Innenstadt. Wir wussten, wenn die Gleise wieder besetzt werden, dann sitzen wir erst einmal fest. Glücklicherweise schaffte es noch ein letzter Zug aus Warnemünde durch (danach wurde der Zugverkehr unterbrochen) und wir konnten dieser Situation, in der wahrlich niemand mehr das Gefahrenpotential einordnen konnte, entkommen.
Ich habe auch schöne Erinnerungen an die Anti G8 Proteste, z.B. an das Abschlußkonzert im Park, doch diese war es nicht.
Und wozu der ganze Terror? – Nun, das war in dem Fall vor fünf Jahren, der legitime Weg um gegen die Globalisierung zu kämpfen ... logisch.