28. Januar 2008

Mein erster Tempelbesuch, Montag 21.01.2008







In dieser Nacht war es so kalt, dass ich beschlossen hatte, zusätzlich zu meinem Kapuzenpullover und zwei Decken, ab morgen auch Socken anzuziehen. Nach einem relativ ereignislosen Vormittag, bekam ich Mittags eine spezielle Magenkost verordnet, damit alles wieder in Ordnung kam. Es handelte sich um weiße Kügelchen, die mit-gebraten wurden und mich geschmacklich an Reispops (wie z.B. in Nippons) erinnerten. Es dient eigentlich als Fastenspeise und ist gut bekömmlich. Am Nachmittag fuhren wir mit dem local train zu einem Tempel in Mulund. Die local trains haben nur Türöffungen, aber keine Türen, und vor den offenen Fenstern Gitter. Es gibt getrennte Damen- und Herrenabteile. Da die Züge nur sehr kurz halten, muss man während der Zug langsamer wird bzw. bereits wieder anfährt, ein- und auszusteigen. Das war für mich recht kompliziert, aber ich war ja nicht alleine und wir schafften es sogar einen Sitzplatz zu ergattern. Im Zug wird das gesamte Shopsortiment von fliegenden Händlern verkauft, so erfreuten wir uns an Tüchern, Haarspangen und Ohrringen. Die Fahrt führt vorbei an vielen Feldern, die das Obst und Gemüse für die Multi-Millionenstadt produzieren, aber auch sumpfigen Wälder, immer wieder durchzogen von Flüssen, die da gerade Ebbe war, kein Wasser führten.
Mulund ist bereits ein fast-echter Stadtteil von Mumbai und nicht wie Dombivli (nur) ein suburb. Die Straßen waren jedenfalls alle so gut und schlaglochfrei, dass die Rikshas zu schnell fahren konnten und es für Fußgänger noch schwieriger wurde, die Straßen zu überqueren. Dieser Tempel in Mulund hat die Besonderheit, dass er nicht einem bestimmten Gott alleine gewidmet ist, sondern eine riesige Bandbreite verschiedener Götter beinhaltet, die man alle anbeten kann – und muss. So findet sich zwar für jeden Geschmack etwas, aber es ist schon etwas schwierig an Reihen über Reihen voller Götter- bzw auch des gleichen Gottes in allen seinen Inkarnationen vorbeizuflanieren und jeden ehrfürchtig zu grüßen. Geld musste man aber nicht jedem Gott geben, sondern nur einigen.
Meine Lieblingsgöttin war 'Sitladevi' sie ist im wahrsten Sinne eine “coole” Göttin. Sie hilft einen kühlen Kopf zu bewahren und kann Fieber senken. Sie möchte auch selbst nur Gekühltes zu sich nehmen. Wenn man ihr zum Beispiel Essen hinstellt, muss man es vorher abkühlen, (am besten im Kühlschrank) sonst ist sie ernstlich verstimmt. Nach dem Götterrundgang musste man etwas von der bereitgestellten Speise zu sich nehmen, eine alte Dame packte sich gleich eine kleine Tüte heiligem Essens voll, während ich die Speisen eher sehr mißtrauisch ansah, aber etwas aß.
Danach setzten wir uns zu den betenden Damen und ich erregte einige Aufmerksamkeit, also opferten wir schnell noch einige Blüten und erhielten dafür Segnungen und ich mussten mich gegen energische Großmütter zur Wehr setzten, die meine Hände nicht mehr losließen.
Danach besuchten wir den Markt in Mulund, der genauso aussah wie der in Dombivli.
Auf der Rückfahrt war der Zug sehr voll. Wir standen nahe am Eingang, meine Hände verharrten die halbe Stunde Zugfahrt in der Höhe und bei jedem Halt mussten wir aufpassen, von der Menge nicht hinausgefegt zu werden. Es war nicht möglich, sich irgendwie zu rühren. Ein Mädchen hing schräg aus dem Zug heraus und hielt sich an der Einstiegsstange fest, nur ihre Füße waren im Zug und als ihr Handy klingelte, fing sie auch noch an zu telefonieren-wow! Eine Frau fragte mich, ob ich etwa keine Inderin bin, “Are you not Indian?” von der logischen Brillianz dieser Frage war ich so beindruckt, dass ich sekundenlang mit einer Antwort rang und mich dann doch zu einem “No, I'm German” entschloß. Nach dieser Fahrt war ich ziemlich k.o. und bekam bald Muskelkater.
Abends war eine Dame zu Besuch, von der die Familie seit vielen Jahren ihren Schmuck kauft. Sie hat ihr Geschäft im gleichen Haus. Sie gab mir Geld als Glückwunsch. Anand meinte, es wäre üblich, wenn man jemanden in der Familie zum ersten Mal sieht, z.B. bei Babies und eben auch mir. Es ist eher eine Formalität und so gibt man ca. 50 Rupien oder 101, ca. 1 bzw. 2 Euro und bekommt mit den Glückwünschen auch Glück zurück. Sie gab mir 500 Rupien, was sicher nett gemeint war, aber von allen als unhöflich angesehen wurde, da es bei diesem Zeremoniell eben nicht um den Wert des Geldes an sich gehen soll. Außerdem hatte sie eine Blumenschmuck aus Jasmin für mein Haar, den fand ich persönlich viel viel besser. Sie sagte Anands Mutter, dass ich mich in ca. einem Jahr so verändern könnte, dass niemand mehr merken würde, dass ich Europäer bin, da meine Gesichtszüge den indischen ähnlich seien. Ich weiß nicht, ob das als Kompliment gemeint war, oder als Trost für Anands Mutter.

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