Die National Archives and Library hatten sich über die Zeit, die wir in Ottawa verbracht hatten, immermehr zu einem Ort entwickelt, an dem wir uns bereits zahlreiche – vorallem deutsche – Filme angesehen hatten. Gestern abend waren wir wieder einmal dort, um uns den deutschen Beitrag des dritten deutschprachigen Filmfestivals in Ottawa anzusehen: Lulu & Jimi.
Dieses Mal wurde der Abend von der Botschaft gesponsort, so daß das Eintrittsgeld entfiel und wie bei jedem deutschen Film wurde auch selbiger congenial vom Kulturattaché der deutschen Botschaft vorgestellt. Beim Baader-Meinhof-Komplex war er noch sehr streng mit dem Film ins Gericht gegangen und sagte, daß er die Stilisierung der RAF - Terroristen zu Rockstars mit Lederjacken, coolen Sonnen-brillen, teuren Autos nicht ausstehen konnte... aber dann handelte es sich dabei auch eher um einen halbdokumentarischen Film, der in Videoclip - Ästhetik zwei Jahrzehnte Gründungsgeschichte zusammenfassen musste, so wusste er bei Lulu & Jimi immerhin zu berichten, daß er den Film mochte, aber nicht sagen könne warum. Die Videoclip- Ästhetik ist auch diesem Film nicht abhanden gekommen (...scheint ein derzeitiges Phänomen des „Neuen deutschen Films“ zu sein,) aber statt Rockstars sind wir mit Lulu & Jimi nun bei Blümchen angelangt.
Lulu ist ein weißes, reiches, deutsches Mädchen der 50er Jahre, die sich in den ersten 30 Sekunden des Films in einen schwarzen, armen, amerikanischen Soldatensohn verliebt und er sich in sie. Damit war die Liebes- und Kennenlerngeschichte abgehandelt und im Rest des Films geht es dann um die diversen Widerstände, die ihrer Liebe und dem Happy End von außen im Wege stehen. Darunter sind eine sadistische Mutter, ein Naziarzt, ein Kriegsverbrecher, diverse Rassisten, Kleinstadtmenschen und eine zufällige Schiffsüberfahrt nach Amerika.
Am ehesten könnte man den Film als schwarze Komödie (Selbstironie?) bezeichnen, mit Anklängen an so ziemlich jede andere Filmgattung, die man sich vorstellen kann, von 2. Weltkriegsdrama, Krimi, Abenteuer, Fantasy, Sozialkritik, ... auch wenn einige meiner Mitseher nach dem Film beklagten, daß weder Ausserirdische noch Vodoopuppen und Zombies mitspielen durften und Zeitreisen gab es auch nicht. Davon einmal abgesehen, wurde aber nichts ausgelassen. Anleihen könnte man bestenfalls noch in „Die zauberhafte Welt der Amelie“ suchen, auch wenn alles was in Amelie funktioniert hat, hier gerade nicht funktioniert. Sehenswert machte den Film jedoch, daß beide Hauptdarsteller sehr sympathisch waren und versuchen, sich so gut wie möglich durch die absurde Story zu spielen.
Warum jedoch ein Film, der an ein höchstens 20jähriges Publikum gerichtet ist, das rosa und hellblau als liebste Hintergrundfarbe mag, mehr englisch- als deutschsprachige Dialoge aufweist und viele Szenen enthält, die vielleicht noch im Drehbuch lustig zu sein schienen, für ein deutschsprachiges Filmfestival in den ehrwürdigen Hallen des Nationalarchives mit einem Festivalpublikum vom Alter her meist jenseits der 60, ausgesucht wurde, das wird wohl für immer das Geheimnis der deutschen Botschaft bleiben.
Wer einen außergewöhnlich guten Film sehen möchte, dem empfehle ich „Qala“ aus Aserbaidschan, meinem absoluten Favouriten von allen Filme, die ich bisher 2010 gesehen habe. Ein warmherziges, berührendes Porträt einer Dorfgemeinschaft am Rande des Krieges mit einem kaukasischen Nachbarland.
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