27. April 2010

Zwei Jahre: Resumee (Eingestellt am 27.04.2010)


Nun ist es schon zwei Jahre her, seit ich den von offiziell deutscher Seite bisher nicht bestätigten Bund fürs Leben mit Anand in einem kleinen stickigen Wohnzimmer an einem staubig, brütend heißen, indischen Aprilnachmittag vor dem rituellen Feuer geschlossen habe.... ein Tag der mir für immer als längster Saunagang meines bisherigen Lebens im Gedächtnis bleiben wird. Die stundenlange Rezeption in der Nacht – nach den zweieinhalb Stunden vor dem Feuer - auf der Bühne stehend, in gleißendes Fotografenlicht zu starren und von Trillarden Moskitos umzingelt immer noch tapfer zu lächeln, einmal nicht mitgerechnet.
Es fällt mir nachwievor schwer etwas zu finden, was an diesem Tag wirklich gut war oder schön oder besonders erinnerungswert. Das Beste war vermutlich meine Kleidung.... gleich danach kommt, daß ich nachts sämtlichen Anstrengungen nun noch zum nächsten Tempel zu fahren und mit den Ritualen gleich weiterzumachen, erfolgreich aus dem Weg gehen konnte und einfach schlafen ging (Ausländerbonus, ich bin mir sicher, eine indische Braut hätte sich weiter quälen müssen), auf dem Bett, das ich mir mit Anands Schwester und Neffe teilte (schon wieder Ausländerbonus, denn im Zimmer schlief noch eine wesentlich ältere Tante, die damit viel eher das Anrecht gehabt hätte auf dem Bett und unter dem Moskitonetz anstatt auf dem Boden zu schlafen.).
Hätte ich gewußt, daß zwei Jahre später unsere Beziehung immer noch in stürmischen Gewässern fährt, wäre ich vermutlich noch desillusionierter gewesen. So, dachte ich damals jedoch, sobald wir Indien wieder verlassen, würde sich alles schon irgendwie einrenken. Und sicher, es ist besser geworden, einfach weil wir viel mehr Möglichkeiten haben uns aus dem Weg zu gehen als das in Indien der Fall war, aber es läuft nicht gut. Es gibt täglich Momente, an denen man nachwievor erklären muss, verschiedene Kulturen akzeptieren und auch lernen muss, wann man einfach nicht zu einem Kompromiss finden kann. Ich hatte gehofft, daß es mit den Jahren weniger problematisch werden würde, das Erklären vielleicht sogar Stück für Stück entfallen kann und wir als Paar irgendwie zusammenwachsen, aber offenbar kann man nur lernen mit den Widersprüchen und auch Brüchen dauerhaft zu leben, was sehr viel Kraft kostet.
Ich habe in diese Beziehung schon mehr Anstrengungen, Schmerz und Emotionen gesteckt als in jede andere Beziehung zuvor, doch manchmal frage ich mich mittlerweile, wenn es schlichtweg niemals gut laufen wird, wieviel steckst du dann noch in diese Beziehung, ab welchem Punkt muss man sagen, daß man alles versucht hat und es geht einfach nicht weiter.... Bisher bin ich noch längst nicht an diesem Punkt angelangt, aber ich kann ihn auch nicht länger ignorieren.
Unser größtes Problem ist, das wir nicht miteinander reden können.... Ich kann mich jedem Menschen auf dieser Erde verständlich machen, aber es gelingt nicht (mehr) mit meinem Mann und Kommunikation hat schlichtweg eine Schlüsselrolle für mich, die eine gute Beziehung ausmacht. Natürlich hat reden und streiten eine andere Bedeutung in Indien, wo es eher einen liebgewonnenen Wettbewerbscharakter hat und gepaart mit analytischem Wissenschaftsdenken eine sehr gefährliche Mischung bei Anand bildet. Ich streite mich nicht gerne, ich mag es einfach überhaupt nicht... aber für Anand ist es kein Problem und man muß bei einem Streit nichts lösen, sondern es geht in erster Linie darum zu gewinnen. Regeln, fair streiten oder nur um das Thema...wozu? Im Gegenteil, wenn man feststellt, daß der andere tatsächlich einen Punkt haben könnte, dann demontiert man einfach jeden Satz: „Du verwendest auf unlogische Weise das Wort „immer“ ich kann das gar nicht „immer“ so gemacht haben sondern höchstens drei/ vier Mal pro Tag... und solange dein Satz keinen Sinn ergibt, muß ich mich auch nicht damit auseinandersetzen.“ Ich habe seit langem aufgehört zu versuchen, den Satz logisch werden zu lassen, denn dabei kann ich nur verlieren. Ebenfalls sinnlos ist es Ort und Zeitpunkt an dem er das und das gesagt, getan hat zu dokumentieren, denn da er sich eh nicht mehr daran erinnern kann, erwidert er nur: „Na du kannst mir ja sonstwas vorhalten und ich soll das dann immer glauben.“
Das Ergebnis ist, daß ich mich schlichtweg nicht mehr streite. Wenn er tatsächlich etwas nicht versteht, versuche ich es zu erklären aber ansonsten höre ich nur seinen Anschuldigungen (ich habe keine Selbstdisziplin, betrüge ihn, liebe ihn nicht, bin verschwenderisch, kritisiere Indien usw.) zu und verteidige mich nicht, denn wenn ich das täte würde er die Dinge herausholen von denen er weiß, dass sie richtig wehtun. Ich höre zu und wenn es mir zu viel wird, gehe ich ins Schlafzimmer und schließe die Tür, oder ich mache einen Spaziergang und stopfe auch dieses ungelöste Problem gedanklich in einen Schrank zu all den anderen, die schon darauf warten irgendwann aus allen Nähten zu platzen, drücke meine Katzen ganz eng an mich und dann tuen wir alle einfach so, als wenn es nie einen Streitpunkt gegeben hätte und nur ein wenig frage ich mich wie lange das so noch weiter gehen kann....
Ich bin also sehr nachdenklich an diesem zweiten Hochzeitstag, es ist mal wieder eine Zeit im Wandel mit unserem baldigen Umzug. Was ich mir erhoffe für die Zukunft.. hmm, eine Arbeitserlaubnis wäre klasse, denn bisher ist Anand an vielen Tagen meine einzige Bezugsperson und wenn er Stress auf Arbeit hat, dann bin ich auch die Einzige an der er es auslässt und ich denke einfach, es wäre sehr gut, wenn ich wieder arbeiten könnte, um das Ganze etwas besser auszubalancieren und ja, die Hoffnung stirbt zuletzt... :)

P.S. Anand kam gerade nach Hause Und er hat Blumen mitgebracht... :-) Rote Nelken um genau zu sein, aber das macht nix... ist ja bald erster Mai.

4 Kommentare:

  1. Ach Thea... Fühl Dich mal ganz fest in den Arm genommen! Über Facebook habe ich übrigens immer ein offenes Ohr! ;) Achja, was mich noch interessieren würde: Liest Anand Deinen Blog?

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  2. Danke Loosy :) Ich war eigentlich gar nicht traurig als ich mit dem Schreiben anfing... es ist manchmal schon seltsam, was dann dabei herauskommen kann.
    Anand liest meinen Blog mitunter, aber das folgt keiner Regel, aber wir haben die erwähnten Probleme schon mit Freunden und auch Kollegen von ihm erörtert, denn die Kommunikationsschwierigkeiten hat er nicht nur mit mir, insofern glaube ich nicht, dass dieser Blogeintrag weitere Spannungen erzeugen kann... :)

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  3. Liebe Thea,

    fühl Dich auch von mir einmal fest in den Arm genommen!
    Weißt Du, ich bin jetzt seit unglaublichen 15 Jahren verheiratet und ich kann Dir versichern, dass auch U. und ich Durststrecken hatten, in denen ich eine seelen- und sinnvolle Kommunikation sehr vermißt habe. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Ich glaube nicht, dass das ein interkulturelles Phänomen ist, sondern in jeder Ehe vorkommt. Ich weiß nicht, ob Dir das ein Trost ist, vermutlich nicht, aber laß Dir von einer eheerfahrenen Frau sagen, dass solche Tiefpunkte immer wieder vorkommen und man(leider) immer wieder an Punkte kommt, an denen man sich fragt, ob es das alles wirklich Wert ist. Weil man sich allein fühlt und unverstanden und der Andere nichts dafür tut, dieses Gefühl der emotionalen Trennung zu überwinden. Beziehungen kosten mitunter unglaublich viel Kraft.
    Weißt Du, ich habe neulich mal in einer deutschen Zeitschrift einen Artikel dazu gelesen, warum und vor allem wann Beziehungen/ Ehen zerbrechen: Die zitierten Psychologen waren sich einig, dass der Rückzug eines Partners in das Schweigen, die Kommunikationslosigkeit ein ernstes Warnsignal sind. Du beschreibst das sehr treffend mit dem Symbol der vollen Schränke, die irgendwann einmal bersten (können).
    Ich kann Dir nur sagen, dass auch ich in meiner Ehe immer wieder einmal an so einem Punkt war, an dem ich emotional "dicht" gemacht habe, weil Reden keinen Sinn mehr machte. Zu groß war die Diskrepanz zwischen dem, was ich mir von meinem Partner wünschte und der Realität.
    Aber, um Euch Mut zu machen: Gib nicht auf. Anand ist ein guter Kerl, wenn Du ihn geheiratet hast und ich denke, viel hängt davon ab, wie man die Situation betrachten möchte. Ist das Glas halb voll, oder halb leer?
    Mir hat es immer geholfen, mir die vielen positiven Eigenschaften von U. bewußt zu machen und ihn dafür zu respektieren und mich ihm wieder anzunähern.
    Ich bin sicher, Du findest auch eine Reihe solcher Eigenschaften bei Anand.
    Sei nicht traurig. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Ganz viel Glück bei Eurem Umzug in die USA!

    Herzliche Grüße
    Julia aus Pune (somosa.de)

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  4. Liebe Julia,
    Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich wäre jetzt zugerne in Mumbai und könnte einen Besuch in Pune einfach auch einmal so in Erwägung ziehen, aber wenn wir das nächste Mal nach Mumbai kommen, wird es wohl eher eine reine Familienangelegenheit werden. Doch wenn ihr in ca. 5 Jahren noch in Indien seit, dann vielleicht, denn eigentlich wollten wir zu der Zeit nach Indien zurückziehen, z.B. nach Chennai, was auch für Anand so ziemlich einem anderssprachigen Ausland gleichkommen würde, versuchen eine gute, dauerhafte Position für ihn zu finden und damit die Anforderungen für Adoptionen zu erfüllen, um so mit der Familienplanung beginnen zu können... :)

    Du hast ein paar sehr wichtige Punkte angesprochen und ja, ich glaube auch nicht, daß meine Probleme nur daran liegen, daß mein Mann aus Indien stammt und ich aus Deutschland und Anand hat neben einigen sehr schlechten (teilweise familienbedingten) auch unglaublich viele gute Eigenschaften: er ist intelligent, witzig, er hat das schönste Lachen, das ich je bei einem Mann gehört habe und die schlechteste Orientierungsfähigkeit, die ich zum Zeitpunkt des Kennenlernens je erlebt hatte. Er ist begeisterungsfähig, zu jedem Menschen, den er trifft immer nur nett und höflich, er unterhält sich mit Werkstattarbeitern genauso gerne und interessiert als mit Nobelpreisgewinnern, sein Lieblingswort ist „humble“ und er nimmt Kinder und ihre Sorgen ernst…. Aber es macht die Dinge sicher nicht immer einfacher, wenn an jedem Tag, zu jeder Minute eines Tages alles und jeder Punkt immer und immer wieder erklärt werden muss und es ist auch offenbar, daß ich die Weite und Dauer des-Erklären-Müssens unterschätzt habe. Und was die kulturellen Unterschiede angeht, so nehme ich mich davon nicht aus, denn offenbar habe ich genug slawische Gene in mir, um selbst das dreiviertel-volle Glas schon immer als bald leer zu befürchten. Vielleicht ist das auch eine sehr deutsche Eigenschaft zu denken, daß alles immer nur bergab geht... oder zu glauben, daß Bergabgehen etwas Schlechtes ist...
    Ich denke jedoch nicht, daß mein Schweigen auf einen Streit als das Warnsignal angesehen werden kann, das du beschrieben hast. Ich kenne solche Ehen, in denen alles ausgeschweigen wird, das ist genauso belastend. Aber ich schweige weil ich weiß, daß ein Streit soweit eskalieren kann, weit über Dinge hinaus, die ich im Blog beschreiben möchte, daß ich letzlich und wenn ich noch irgendein bißchen Selbstachtung vor mir hätte, gehen müßte und so lange wir nicht streiten können, habe ich eben angefangen es zu vermeiden, mit dem Segen von Anands Mutter übrigens, deren Lieblingsspruch immer noch „no fight, no tension“ ist. :)
    Liebe Grüße aus noch Ottawa
    Thea

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