Als Anand am späten Nachmittag anrief und fragte, ob ich Lust hätte am Abend ein Flamenco Konzert zu besuchen, war ich nicht sonderlich begeistert. Zum einen hatte ich mir meinen Abend gedanklich schon gemütlich und mit viel Nichtstun eingerichtet und zum anderen hatte ich mich bisher nicht für Flamenco interessiert.
Ich habe ein paar sehr gute Gitarrenkonzerte, die ich mir gerne anhöre, aber der Tanz selbst erschien mir immer zu touristisch-künstlich... üppige Rüschengewänder an stark geschminkte Frauen mit Fächern, das war für mich wie Paella auf einem Hotelbuffet... schlichtweg uninteressant und die Exotic/Erotik des Tanzes erschloss sich mir nicht. Aber letztlich dachte ich dann, warum nicht, wir waren noch nie dort... und so fuhren wir am Montag Abend ordentlich angezogen ins ausverkaufte Theater um uns die Show „Paco Peña- A Compas“ anzusehen.
Anands Kollege erklärte uns, dass Paco Peña einer der bekanntesten Gitarristen des traditionellen andalusischen Flamenco ist, während sein Kollege Paco de Lucia, Flamenco eher in die Jazz-Richtung weiterentwickelt hatte.. und so sah ich schon die Rüschengewänder vor meinem inneren Auge tanzen... Bald erkannte ich jedoch, dass traditionell in diesem Falle ursprünglich meinte: Wenn man allen Touristenklimbim entfernt, dann gibt es keine oder kaum üppige Gewänder, keine Fächer, dafür aber sehr viel Rhythmik... ‚Compas‘ bedeutet rythmische Struktur und so konnten wir eine Show sehen, die zeigte, wie Flamenco anfing, als es noch nicht einmal in den Tavernas gepielt wurde - sondern private Musik war, die sich aus allem zusammensetzte, was das tägliche Leben an Rythmus vorgab, sei es die Schmieder mit den Hämmern, die Frauen bei Handarbeiten, Klatschen, Stampfen, Trommeln.. all das erzeugte eine unglaubliche Energie, die sich fast spielend auf das Publikum übertrug und immer wieder zu Szenenapplaus und Standing Ovations führte... Dazu das Gitarrenspiel von Senor Peña und die Tänzer mit ihren teilweise tranceartigen Bewegungen und dann teilweise schneller als das Auge folgen kann... Der Effekt war berauschend.
Nach der Pause kam ein Teil in dem jeder Tänzer nur mit der musikalischen Unterstützung von Paco Peña agieren und alleine auf der Bühne improvisieren musste... dieser Teil ist nicht einstudiert, sondern laut Programm: „Ein Hineinwerfen des Künstlers in die nackte Realität des Rythmus, in dem er sich nicht nur behaupten, sondern auch erreichen muss, das Publikum miteinzubeziehen und mitzureißen...“ Das gelang teilweise recht gut, aber in dem Bereich gab es auch ein paar Längen, wo es für die Augen anstrengend war, nur auf den einen hellen Punkt der ansonsten stockfinsteren Bühne zu starren... Da gleichzeitig meine Zu-Bett-Geh Zeit war, fiel es mir schon etwas schwerer wach zu bleiben...
Zum Ende steigerte sich alles jedoch, ein bißchen mehr Licht weckte auch mich wieder auf und die durchaus üppige Sängerin Immaculada Rivero durfte zeigen, dass sie ebenfalls noch perfekte Flamencoschritte und die Fächerbewegungen der Hände beherrscht. Es war ein herzlicher Abschied eines wunderbaren Abends, der das Kunststück schaffte eine intime, private Atmosphäre inmitten einer ausverkauften Konzerthalle zu erschaffen... und so schnell wird mich die Flamencomusik nun wohl nicht mehr loslassen...
Anand war ebenfalls restlos begeistert und stellte fest, dass viele Rythmen sich so auch in traditioneller indischer Musik finden und Castagnetten ein übliches Instrument der Händler sind, um Aufmerksamkeit auf ihre Waren zu lenken... Er wollte sich nun endlich über die Wanderbewegungen der Gypsies... vorallem der Sinti und Roma informieren, die als halbnomadische Stämme nachwievor auch in Indien zu finden sind...
Ich habe ein Video zu der Show in youtube gefunden, es wurde vor ein paar Tagen in Los Angeles gedreht und zeigt alle wichtigen Momente des Abends... Viel Spaß dabei :) :
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