Nachdem ich lange darauf gewartet hatte, ging es nach zwei Jahren und zwei Monaten in der amerikanischen Ferne zurück nach Hause. Was ich genau von diesem Besuch erwartete oder erhoffte? Eigentlich nichts, außer viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen und den Familienzuwachs namens Mikey, einen einjährigen Border Collie, dessen Abenteuer mittlerweile jedes Telefonat beherrschten, endlich kennenzulernen.
Natürlich war ich viel zu früh am kleinen Flughafen in Burlington und wie immer konnte sich Anand fürchterlich darüber aufregen, schließlich ist das keine Schande wenn man mal einen Flug verpasst. Aber lieber sitze ich eine Stunde mehr auf dem Flughafen herum als zu Hause wie auf heißen Kohlen… So erfüllte er also seine Pflicht, lieferte mich am Flughafen ab und verabschiedete sich sofort. Danach konnte ich alsbald durch die Security Checks gehen, meine Schuhe aus- und wieder anziehen und befand mich bereits im Wartebereich vor dem Gate.
Vermont zeigte sich von der schönsten Seite: Die Sonne schien und von den Fenstern des Gebäudes konnte man die leuchtenden Ahornwälder der umliegenden Bergketten bestaunen. Alsbald ging es jedoch ins kleine Flugzeug und auf den Weg nach New York.
Vom Flugzeug aus (ich hatte einen Fensterplatz) sieht man umso mehr die Masse an Ahornwäldern, die aufgrund der Höhe eher rostfarben erschienen.
Landeanflug auf JFK
Nach ca. 40 Minuten erreichten wir New York, flogen direkt über der Innenstadt hinweg und weiter hinaus aufs offene Meer, über Long Island und weitere Küstenabschnitte, denn die Warteliste des John F. Kennedy Flughafens ließ uns für eine weitere Stunde in Kreisen über Stadt und Land fliegen, bis wir endlich landen durften.
Nach dem Aussteigen machte ich mich schnell auf den Weg ins Nachbarterminal. Dank meiner glänzenden Vorbereitung und Überredungskunst, hatte Anand mir eine Karte der Terminals ausgedruckt („braucht kein Mensch“ war sein gegrummelter Kommentar dazu) und so hatte ich keine Mühe den verwirrenden Wegweisern zu folgen, denn ich kannte ja die Richtung. Nach 20-minütigem strengen Fußmarsch erreichte ich das Gate, musste noch zehn Minuten warten und schon begann das Boarding für die große Boing (wie ich das zeitnah auf dem Rückweg schaffen soll, wo ich schon in JFK durch den Security-Check muss, verdränge ich noch für ein paar Wochen). Dazwischen ging die Sonne unter und schon saß ich im nächsten Flugzeug.
Nachdem alle Passagiere eingestiegen waren, begab sich dieses Flugzeug in die Warteschlange der startenden Maschinen. Hin und wieder meldete sich der Kapitän über Bordfunk und berichtete wie weit wir in der Warteposition voran rückten und so verging noch eine weitere Stunde auf dem Flughafen bis wir endlich starten konnten.
Die Maschine gehörte eigentlich Air France, startete aber für Delta und war trotz des Mittwochs bis auf den letzten Platz besetzt. Sie befand sich zumindest in der Kabine in einem recht vernachlässigtem Zustand: Von den wenigen Bildschirmen im Raum funktionierte nur einer richtig, viele andere hatten mit Rotstich und ständigem Kampf der Ameisen zu kämpfen. Die darauf ausgestrahlten Filme konnte man sich aber schon deshalb nicht ansehen, da zumindest in der Mittelreihe die Verbindung zur in den Stühlen eingelassenen Elektronik unterbrochen war und man dementsprechend keinen Ton hatte. Leider konnte man auch nicht richtig schlafen, da sich die Schalter für die Über-Kopf Lampen ebenfalls im Stuhl befanden und diese somit nicht auszuschalten waren. Die Flugbegleiterinnen versuchten die Lampen manuell herauszudrehen, was aber ein lautes Dröhnen zur Folge hatte, so daß sie das lieber schnell sein ließen. Hoffend, daß der sonstige Zustand der Maschine nicht ein Spiegelbild der Kabinensituation darstellte, richtete ich mich im Sitz ein und versuchte etwas einzunicken (eine Schlafmaske sollte künftig zu meiner Reise-Standardausrüstung gehören).
Bald gab es Abendbrot und ich bestellte Weißwein dazu, aber das verhalf auch nicht zum gewünschten Schlaf und so lief ich lieber die Gänge ein wenig auf und ab. Ein paar Stunden später wurde das Frühstück serviert, der Landeanflug begann und wir hatten ein äußerst frostiges Berlin im Raureif erreicht. Meine Ausweis- und Taschenkontrolle dauerte 30 Sekunden, ‚Willkommen zurück‘ und schon strömte ich mit dem Gepäck versehen in der Masse der heimkehrenden deutschen Las Vegas und New York Touristen zum Ausgang.
Meine Eltern erkannten mich eher als ich sie und eine äußerst herzhafte Begrüßung von Mikey erfolgte auf der Stelle. Der junge Border Collie begrüßte jeden auf diese Art, der sich nicht schnell genug wegdrehte und als sich der Kapitän meines Fluges nach unten beugte, um etwas in seiner Tasche herauszukramen, bekam auch er einen feuchten Nasenstüber ab.
Nun ging es auf die Heimfahrt zur Insel Poel, die mir an diesem langen Tag als fast unüberwindbares Hindernis erschien. Wie nicht anders zu erwarten hatte ich mit Kopfschmerzen zu kämpfen, mein Gleichgewichtssinn machte Probleme und mein Magen war bereits mit einer Salamistulle überfordert. Aber auch diese Schwierigkeit wurde überwunden und bald stand ich in meinem alten Kinderzimmer, sah mich um und dachte fast enttäuscht… hm, sieht eigentlich wie immer aus. Ich weiß nicht, welches überwältigende Gefühl der Fremdheit oder Heimatfreude ich für einen Moment erwartet hatte, es stellte sich jedenfalls in meinem wie betäubt übermüdeten Zustand nicht ein. Ich verschlief ein paar Stunden, um dann für die nächsten Tage im Jetlag zu den jeweils seltsamsten Stunden wach oder hungrig zu sein, bis sich meine innere Uhr auf Jetztzeit eingespielt hatte. Seitdem ertappe ich mich dabei, immer häufiger zur Kamera zu greifen um die „so wie immer“ Landschaften und Situationen aufzunehmen, Freude am „Deutsch Sprechen“ zu haben und den kleinen Feinheiten, die es einem in der Muttersprache erlauben, Dinge noch viel differenzierter auszudrücken, als das in Englisch möglich wäre, immer noch einmal nach dem Brot, Käse und der Lindt Schokolade zu greifen und ganz ganz langsam nicht nur körperlich wieder anzukommen auf dieser kleinen, winddurchschüttelten Insel in der mecklenburgischen Bucht…
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