20. April 2011

Abenaki Identität

Solange ich in Kanada wohnte, wurde man in den Zeitungen und auch sonstigen Nachrichten-Sendungen regelmäßig über den Status der Ureinwohner und deren Probleme informiert. Es gab Statistiken, die besagten, daß sie zwar zahlenmäßig sehr gering seien, gleichzeitig aber die höchste Prozentzahl an Gefängnisinsassen hätten, die höchsten Geburtenzahlen, die höchsten Selbstmordraten, die höchsten Raten an verschwundenen und ermordeten Frauen. Vieles konnte auf die Probleme der Vergangenheit und insbesondere die berüchtigten Internatsschulen zurückverfolgt werden, die - sollte man die Schulzeit überleben - man häufig als mißbrauchte (Jesuiten-Lehrer) gebrochene und von seiner Kultur und Sprache entfremdete Person verließ. Es gab Entschuldigungen seitens der Regierung und widerwillig gewährte Zuschüsse für Therapien und Hilfszentren. Viele dieser Handlungen, die von der UN als kultureller Genozid bezeichnet wurden, waren schrecklich und dennoch wurde mittlerweile offen darüber gesprochen.
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Als ich nach Vermont kam, las ich nirgends jemals etwas über die Frage der Ureinwohner... Es gab keinen einzigen offiziell registrierten Stamm im Staat. Sollten nur zwei Stunden von der kanadischen Grenze in einem dünn besiedelten Gebiet tatsächlich kein Ureinwohner übrig geblieben sein? Ich konnte es nicht glauben und suchte weiter. Im November dann fand ich zum ersten Mal spärliche Informationen über das Schicksal der vier großen Stämme im Staat den Elnu, Nulhegan, Koasek und den Missiquoi sowie kleineren Clans und Stammesteilen wie z.B. den Sokoki und Maquam und ihren mittlerweile jahrzehntelangen Kampf - im eigenen Land - als Stämme anerkannt zu werden. Die meisten gehören zum Stammesverband der Abenaki (übersetzt: Menschen, die am Sonnenaufgang wohnen), der wiederum zum Algonkin Stammesverband gehört, dem ehemals militärischen Gegengewicht zu den Irokesenstämmen. Die vier größten Stämme wurden 1976 zum ersten Mal offiziell von Vermonts damaligen Governeur Tom Salmon als Stamm anerkannt, dies wurde jedoch von seinem Nachfolger 1977 widerrufen. Seit 1993 nun arbeitet man an einem Gesetz, daß die offizielle Anerkennung von der Politik trennt, so daß diese nicht nach Lust und Laune widerrufen werden kann. Eine Kommission wurde gegründet, die Vermont Commission on Native American Affairs (VCNAA) welche Geschichte und Bräuche der Stämme hinterfragt, die Antragsteller mussten Beweise zur historischen Existenz u.a. von Traditionen, Familien-Verknüpfungen und Stammesorganisation vorlegen.
Mittlerweile wurden die Elnu und die Nulhegan vom Staat Vermont als Stamm anerkannt, während die anderen Stämme noch auf die Entscheidung der Kommission warten. Diese Entscheidung ist aber noch nicht offiziell, da sie wahrscheinlich vom Stamm Abenaki First Nation vor Gericht bestritten werden wird, die sich in der Frage seltsamer Weise mit dem U.S. Bureau of Indian Affairs zusammengefunden haben. Das Büro für indianische Angelegenheiten, das waren schon seit dem Massaker von Wounded Knee immer die Bösen und es ist eigentlich bezeichnend, daß der Name nie verändert wurde. Ging es früher darum den militärischen Widerstand der Ureinwohner entgültig zu brechen, so geht es heute um Geld. Land- und Schadensansprüche sollen verhindert werden, dazu kommen Ansprüche aus dem Bildungsfond für Ureinwohner und dem offiziellen „Native American“ Siegel unter dem Kunsthandwerk verkauft werden kann. Abenaki First Nations ist offenbar nicht der Meinung, daß sie mit neuen offiziellen Stämmen die knappen Fondgelder teilen wollen und sehen sich ohnehin als übergeordneten Stamm an, der die anderen Stämme lediglich zu Clans degradiert. Es steht den Stämmen also noch ein langer Weg bevor, bis sie ihren Namen bewiesen haben werden, ein Kampf, den in Kanada bei allem Leid niemand führen musste.
Auch etwas was ich erst durch diese Berichte gelernt habe, ist, daß ab 1931 bis ’46 tausende Abenakis in Vermont nach dem Gesetz zum besseren Menschsein „Law for Human Betterment“ „freiwillig“ zwangssterlisiert wurden. Gottseidank liegt es nicht an mir zu entscheiden ob eine gestohlene Identität oder ein gestohlenes Leben schwerwiegender sind. 

Links:
Nulhegan Blog
Gegen den Nulhegan Stamm
Und in den Zeitungen: Bangor Daily News

Interessanter Weise ist in den meisten Artikeln die Kommentarfunktion nicht erlaubt bzw. später geschlossen worden, zumeist ein Hinweis darauf, daß es immer noch weitverbreitet ist über die Ureinwohner rassistische Kommentare abzugeben. Meine oben gezeigte Karikatur ist in dieser Hinsicht natürlich ebenfalls als bedenklich anzusehen, aber mitunter ist es schwierig politisch korrekt zu handeln.

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