5. Dezember 2010

Mikey



Im Deutschunterricht hieß es früher immer, beginne nie einen Satz mit „Und“. Also Frau Engel, Herr Box... : Und, es geht weiter mit meinen Berichten aus dem Hohen Norden Deutschlands....
Eines meiner liebsten Ziele auf der Heimfahrt nach Poel war es, den mittlerweile einjährigen Border Collie meiner Eltern kennenzulernen. Ich wußte nicht, was mich erwarten würde, denn ich habe eigentlich Angst vor (größeren) Hunden und brauche immer einige Zeit um mich an einen Hund zu gewöhnen. 
Zum Glück war das kein Problem für Mikey, der spielend sämtliche Grenzen, die ich versuchte zu ziehen überwand und ein Gefühl der Fremdheit vom ersten Tag an gar nicht erst aufkommen ließ. Ich gehörte in das Zimmer in das er sonst nicht hinein durfte und da wir quasi beide zur Familie gehören (ein Rangverhältnis konnte sich ja zwischen uns nicht aufgebaut haben) war das nun also auch sein Zimmer (aus dem Bett konnte ich ihn (meistens) erfolgreich heraushalten). 


Nachts schloß ich dagegen die Tür, was er sich für einige Nächte gefallen ließ, doch dann bollerte es plötzlich eines Nachts an der Tür. Ich wurde wach, dachte es ist etwas passiert und öffnete die Zimmertür, Mikey machte ein Runde durchs Zimmer und legte sich wieder auf seinen Stammplatz vor der Treppe in den Flur. Ich schloß die Tür. Kurz darauf bollerte es wieder gegen die Tür und das Schauspiel wiederholte sich. Tür geöffnet, Hund läuft hinein, wieder hinaus, legt sich vor die Treppe... Diesmal ließ ich die Tür offen und konnte von Stund an ungestört weiterschlafen. Danach blieb die Tür meistens einen Spalt offen und nur die Tatsache, daß sie morgens sperrangelweit offen stand, machte mir bewußt, daß der Hund wohl wieder Kontrollgänge absolviert hatte.
Ich wurde aber nie von ihm geweckt. Stören durfte man mich erst, wenn meine Mutter bereits erwacht und mit ihm einen ersten Toilettengang unternommen hatte. Danach sprang er neben mich aufs Bett und überzeugte mich mit seiner liebevoll ruppigen Art, daß es nun auch für mich höchste Zeit sei aufzustehen.
Während des Vormittags, wenn keiner Zeit für ihn hatte, schlief er auf seiner Couch eingekuschelt oder schleppte sich mit meinem Vater zum Arbeiten Zugucken ins Gartenhaus, bis ihm auffiel, daß ich ja eigentlich so völlig unbeschäftigt war. Ich räumte nur mein Zimmer auf, blätterte durch Zeitschriften, las Krimis, schrieb etwas für den Blog, machte Fotos; lauter völlig unsinnige Dinge also und es war an der Zeit mir zu helfen. Also kam Hund von nun an regelmäßig mit einem Spielzeug im Maul vorbei und versuchte mich zum Spielen zu überreden. So ganz einfach war die Sache nicht, denn eigentlich war es gut und richtig, daß er gelernt hatte, daß der Vormittag Ausruhzeit war. Ich dagegen war ja nur für eine begrenzte Zeit da und wollte den Hund nicht zu sehr an mich gewöhnen. Aber diese vernünftigen, lobenswerten Grundsätze habe ich dann doch nicht eingehalten, wer kann das schon, wenn man diesen bittenden Hundeblick vor sich hat, sondern mich auf den Boden gesetzt und wir haben gespielt. An einen Grundsatz habe ich mich dagegen gehalten: Er hat von mir kein Futter bekommen. 

 Hör auf zu Lesen und Spiel Mit Mir!

Beim Spielen gilt, daß man den ganzen Tag mit diesem Hund spielen kann, am Ende todmüde ist und Mikey nicht einmal annähernd erschöpft. Er steht nur vor einem mit dem Lieblingsspielzeug im Maul, fiept und klappert mit den Zähnen: Spiel weiter! Diesen Spielen fielen auch ein Paar meiner Socken zum Opfer, die genüßlich durchgekaut wurden, um sie mir dann wieder aufs Kopfkissen zu legen (ja, dieser Hund weiß, daß ihm die Socken nicht gehörten...) Wenngleich das nichts gegen die vernichteten Plüschrobben - Armee im Hause eines Freundes der Familie war... ö_Ö 



Willkommene Abwechslung boten somit die Besuche des Nachbarhundes Charly, der so viel Ähnlichkeit mit unserem alten Hund Struppi hat, daß es mich jedes Mal verblüffte. Wenn Charly da war, konnte ich mich wieder meinen Beschäftigungen widmen und mußte nur hin und wieder als Streitschlichter eingreifen. Am Nachmittag dann ging es zum Gang mit dem Hund, entweder im Dorf herum oder wir fuhren zu einem der Strände. Als echter Inselhund ist Mikey kein bißchen wasserscheu und sobald jemand etwas für ihn ins Wasser wirft, oder ins Wasser zu werfen scheint (Touristen beim Muschelsuchen aufgepasst) gibt es für ihn kein Halten mehr: In einer speziellen Bocksprungtechnik wird das Wasser durchpflügt. 
Wer nun erwartet, daß der Hund den geworfenen Stock wieder aus dem Wasser fischt... nein, nicht direkt, aber er zeigt dir immerhin an, wo du den Stock finden könntest, wenn du ihn denn noch brauchst. 


Insgesamt bin ich bei aller Begeisterung für diesen Hund doch ein ganz klein bißchen froh, daß ich mich nicht jeden Tag um ihn kümmern muss. Ich bewundere meine Eltern für die Energie, die man benötigt um so einen aktiven Hund großzuziehen und bin absolut zufrieden mit meinen beiden Katzen. Sicher bemühen Katzen sich nie wirklich, dich zu verstehen, gehorchen schon gar nicht... aber sie sind eben auch sehr viel unabhängiger als Hunde, können sich lange genug alleine beschäftigen und wissen, wann es an der Zeit ist sich einfach einmal zu entspannen.
Als ich am Ende meines Urlaubes anfing meine Koffer zu packen, schwante dem Hund Schlimmes... als ich dann aber jeden Tag ein bißchen packte und wieder umpackte (um nicht über die 23kg Grenze von Delta Airlines zu kommen) gewöhnte er sich daran. Sie packt eben gerne.
Am letzten Abend dann aber kam Pinky, der mittlerweile uralte, zahnlose Kater der Familie in mein Zimmer, inspizierte den Koffer und setzte sich neben mich aufs Bett. Das berührte mich sehr, denn hatte sich der Kater früher regelmäßig in mein Bett geschlichen, so hatte er diesmal wenig Notiz von mir genommen. Sein Leben bestand aus dem warmen Schlafplatz in der Küche und einer regelmäßigen Futterzufuhr, während er sich sonst mit chronischem Katzenschnupfen herumquälen musste. Was aber wußte er nun, war es das letzte Mal, daß wir uns sehen würden?
Der Hund wußte dagegen nicht wirklich, wie er mit dem ungewöhnlichen Verhalten des Katers umgehen sollte und setzte sich mit großen Augen neben den Koffer. So verbrachten wir dann die Nacht. Pinky neben dem Kopfkissen schniefend, Mikey auf dem Teppich zu meinen Füßen das Gepäck bewachend. In einer herzzerreißenden Abschiedsszene verabschiedeten wir uns am nächsten Morgen am Bahnhof, mein Vater ein wenig verärgert, daß ihm der Abschied am Flughafen vorenthalten wurde, meine Mutter still und in sich verschlossen, so daß ich den Impuls unterdrücken musste sie in den Arm zu nehmen und nicht mehr loszulassen und Mikey, der überhaupt nicht verstehen konnte, warum ich im Zug stand und er nicht.... Ich vermisse euch und hoffe, daß wir uns ganz sicher, ganz bald wieder sehen werden ... :)

Videos:

 Mikey - Weinbergschnecke: Größenverhältnisse

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