Vorgestern besuchten wir einen Freund zum Abendessen in dem Örtchen Winooski. Er versprach uns Hühnchen-Curry der allerbesten Art, wie konnten wir also widerstehen.
Winooski entstand als Dorf im Hinterland von Burlington aus der Ansiedlung einer Holzmühle des Universiätsgründers Ira Allen und einer Textilfabrik, hieß zuerst Onion River und später Winooski, was das gleiche bedeutet (in Abanaki Sprache) aber besser klingt. Ich wollte Winooski schon immer einmal besuchen, denn direkt im Stadtkern befindet sich hinter der ehemaligen „Wollmühle“ ein relativ großer Wasserfall mit einer sich anschließenden malerischen Schlucht. Doch in der bisherigen Zeit kam es nie dazu, denn in den Sommermonaten zog es uns jedes Wochenende magisch hinunter an den See. Wie erstaunt war ich nun also, als ich gestern aus dem Bus ausstieg und Anand mir mitteilte, daß ich mir Winooski bereits angesehen hätte. Er zeigte mir ein Apartmenthaus, führte mich sogar in das Haus, so daß ich mich erinnern könne und erklärte mir in allen Details, daß ich dort hineingegangen bin, mir dieses angesehen hätte, einen Laden betreten wollte, der aber geschlossen war, dann kam ein Hund und ich hätte Fotos von dem gegenüberliegenden Haus gemacht, wir seien diese Straße hinaufgegangen usw. Es war ein wenig unheimlich, da ich tatsächlich noch nie in dem Ort war, während Anand bereits mehrere Male dort unterwegs war. Ich versuchte also andere Namen/ Orte zu nennen, ihm irgendwie zu helfen sich zu erinnern, mit wem er stattdessen dort war, was ihn ziemlich sauer machte und er mir vorwarf, mich in einem Frühstadium von Alzheimer zu befinden.
Der Besuch bei dem Freund war dementsprechend etwas bedrückt (obwohl das Hühnchen Curry traumhaft war), doch so ganz bekamen wir das Ereignis beide nicht aus dem Kopf und als wir doch noch einmal kurz zunehmend erhitzt darüber debattierten (ich bin nicht Buddha und leider wenig in der Lage ruhig zu bleiben wenn man mich in Frage stellt), meinte Anand, daß wir nur nach Hause fahren müssten, dann würde er mir die Bilder zeigen und ich würde wie ein Trottel dastehen. An diesem Punkt war ich tatsächlich so weit, daß ich mein Gehirn innerlich vertwistete und überlegte, ob ich tatsächlich schon dermaßen verkalkt sei, daß ich einen gesamten Tagesausflug völlig vergessen kann. Dazu kam aber auch diese absolute Gewissheit, daß ich recht hatte und meine Gedanken liefen selbst heiß, ich dachte an das Beispiel eines Kollegen von Anand aus Ottawa, dessen schizophrene Frau ständige Betreuung benötigt und dachte sofort: Jetzt muss ich mich um die Familie kümmern, wir müssen nach Deutschland zurückkehren, so daß ich ohne Arbeitserlaubnissorgen arbeiten kann und uns alle versorgen.
Sobald wir wieder zu Hause waren, schalteten wir den Computer an und Anand scannte sich durch sämtliche USA Bilder auf dem Laptop, das dauerte einige Stunden, aber es gab nirgends auch nur ein einziges Bild aus Winooski. Zum ersten Mal bekam seine Überzeugung Risse und ich konnte ihn mental überhaupt erreichen und Fragen stellen, auf die er keine Antworten hatte obwohl er alles andere so exakt wusste ... z.B. wie sind wir nach Winooski gekommen, wie sind wir zurück gekommen, wieso sollte ich in den Laden, der übrigens eine Bücherei war, gehen wollen, ich hätte eh nichts ausleihen können, was wollten wir überhaupt dort und warum sollte ich Bilder von Häusern machen wollen, aber nicht vom direkt dahinter befindlichen Wasserfall. Am Ende des Abends erklärte er mir, daß das alles kein Problem sei, er hätte das wohl geträumt, Sache erledigt. So ganz erledigt war es für mich nicht, denn ich erinnerte mich an eine ähnliche Begebenheit in Indien, die ich bereits vergessen zu haben glaubte. Damals hatte Anands Mutter mir in einer kleinen Zeremonie Zehenringe geben wollen, die man als frisch Verheiratete von der Schwiegermutter bekommt und Anand hatte uns unterbrochen. Er erklärte uns, daß sie mir die Ringe bereits gezeigt hätte und ich diese nicht haben wollte, ja sogar den Kopf weggedreht hätte und er das unmöglich finde, daß ich sie jetzt doch haben möchte. Damals hatten sich Anands Mutter und ich sehr überrascht angesehen und dann Anand, es auf den Hochzeitsstress geschoben und vergessen. Doch nun kommt mir unwillkürlich der Gedanke, wie oft ich ähnliche Situationen vielleicht nicht registriert habe, weil sie weniger offensichtlich waren, denn wir waren beide vorgestern sicher nicht gestresst. Das die Sache für Anand auch nicht so ganz erledigt ist, zeigte sich am Morgen, denn er beichtete mir, daß er einen Online Test über Anzeichen von Geisteskrankheiten gemacht hätte, wo aber nur eine 16 % Wahrscheinlichkeit bei herauskam krank zu sein. Das ist ausreichend um einen Wissenschaftler zu beruhigen, gibt uns aber immer noch keine Handlungsanweisung wie wir uns in ähnlichen Sitationen verhalten sollen, wenn es Anand nicht mehr gelingt zwischen Realität und bis ins letzte Detail gedachter, stimmiger aber falscher Realität zu unterscheiden.
Vielleicht ist es aber auch nur eine Frage der Phantasie. Wenn ich aufwache und geträumt habe, daß wir in einem Hochhaus sind und aus dem Fenster sehen, daß auf der anderen Seite ein Discounter rote Teppiche verkauft, die wir uns ansehen könnten, da wir noch einen Teppich für die Küche benötigen, dann wache ich auf und denke zuerst, so einen Quatsch einen roten Teppich will ich gar nicht und viel zu groß war er außerdem und überhaupt, was machen wir in einem Hochhaus, dann fällt mir recht schnell auf, daß das nur geträumt war. Aber Anand träumt, daß wir in einem Ort waren, in dem er schon einige Male war, daß ich Fotos gemacht habe, nun ich bin praktisch mit der Kamera verwachsen, daß ich Angst vor einem großen Hund hatte, ich habe Angst vor großen Hunden, daß ich in einen Laden gehen wollte, kein Kommentar, daß ich eine Toilette suchte, mache ich immer... so daß es beim Aufwachen durchaus schwer fallen könnte, das als Traum zu identifizieren.
Hi Thea...ich wünsche ein gesundes neues Jahr für Dich und Deine Familie samt Katzen mit viel Gesundheit und Frohsinn!
AntwortenLöschenIch musste sehr schmunzeln über diesen Artikel...aber keine Sorge, Anand ist wahrscheinlich zu alt für Schizophrenie. Die ersten Episoden treten im späten Teenager- bzw im jungen Erwachsenenalter auf und das hat er ja wahrscheinlich schon episodenfrei hinter sich gelassen. Vielleicht eine andere Psychose?! KLeiner Scherz :), bestimmt war er nur durcheinander! Grüße von Caroline
Hallo Caroline, vielen Dank und ich wünsche Dir auch ein frohes Neues Jahr :) und nein Anand war glaube ich bisher völlig beschwerdefrei und Scherze im Sinne von Genie und Wahnsinn lasse ich wohl auch lieber gleich sein. Sein Vater hat jedoch eine Geschichte mit periodisch auftretenen Wahnvorstellungen, Aggression und Selbstverletzungen, so daß man zumindest die Augen immer offen halten sollte. LG Thea :)
AntwortenLöschen