3. Juni 2019

Kurz nachgedacht

Angesichts von Enthüllungen in der deutschen Blogosphäre, in der sich eine Blogschreiberin u.a. eine jüdische Identität angedichtet hat (und nachdem sich der Sturm schon weitgehend gelegt hat - schließlich ist die Nachricht bereits von der letzten Woche) komme ich von dem Thema gedanklich noch nicht ganz los.
Ich lese mich gerade durch diverse aufgeflogene Falsch-Blogger Geschichten, die mir in den letzten Jahren im Gedächtnis geblieben sind, vom fleischessenden Veganer, zur Männer verjagenden Modepiratin, die plötzlich heiratet, zum eher tragischen Fall der Krebspatientin, die sich mit natürlicher Ernährung heilen möchte - und dann verstirbt, getoppt von ihrer Bekannten, die sich als überlebende Krebspatientin ausgibt, ohne es zu sein.
Es ist eigentlich erstaunlich, wie sich die Geschichte immer wiederholt (sowie der in diesen Geschichten 100 %ige Frauenanteil), auch wenn die Einzelheiten natürlich in jedem Fall eine andere sind.
Es gibt aber zumindest zwei Gruppen, eine die nur im Blog eine ‚Fake‘ Identität annimmt und eine, die eher in den Bereich Lebenslüge geht und sowohl im Blog als auch Offline weitergesponnen wird. Bei der Ersteren ist es offenbar möglich auch nach der Enthüllung weiter zu machen, möglicherweise sogar als Karriere - bei der lebensumspannenden Täuschung wird das schwieriger.

Ich frage mich auch, ob Social Media solche Geschichten eher ermöglichen, denn man kann sich Bloggern näher fühlen. Früher las man ein Buch, konnte Leserbriefe schreiben, bekam vielleicht irgendwann eine Antwort - möglicherweise nur vom Verlag. 
Natürlich konnten sich auch daraus Freundschaften entwickeln, gab es auch Skandale - aber der Grad wie man auf Nachrichten reagiert, die man mit wochenlanger Unterbrechung erhält, ist doch ein anderer als wenn man unmittelbar auf Twitter /Facebook/Instagram reagieren und miteinander agieren kann. Man fühlt sich derjenigen näher und glaubt jemanden eher zu ‚kennen‘.

Auch wenn jedem klar sein sollte, daß selbst wenn man den Anspruch hat authentisch zu sein, man immer nur eine Seite von sich im Blog zeigt, die die man eben präsentieren möchte.

Ich habe im Mai auch eine gern-gelesene Bloggerin verloren, jedoch nicht, weil sich ihre Geschichten als unwahr herausstellten, sondern weil sie überraschend verstorben war. Auch da gibt es tatsächlich Blogger, die sich tragisch im Internet versterben lassen - in diesem Fall hat eine kurze Google Eingabe jedoch den Nachruf ihrer Familie bei einem Bestattungshaus zutage gebracht.





P.S. Ich befürchte fast, daß dieser Fall der falschen jüdischen Identität unmittelbar im deutschen Rechtstudium auftauchen wird - als interessante Variation des Herrn Nagelmann.

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