Das Bild ist vom 1.Mai 1999 zum Ende meiner kurzen Zeit bei den JuSos. Trotz erster Anzeichen von Politikverdrossenheit war ich sehr froh, daß ich zur Maifeier am Alten Markt in Potsdam mitgekommen war, denn neben der üblichen Politprominenz sprach auch Regine Hildebrandt. Wenn es irgendjemanden gab, den ich als politisches Vorbild bezeichnen könnte, dann war es sicherlich sie, unbeugsam, ehrlich, direkt, wenn es sein musste auch mit dem Kopf durch die Wand... all das sind nicht unbedingt Attribute, die man Politikern zuschreiben kann, sie machte so sogar politische Karriere und starb leider viel zu früh ...
Zurück zu den Jusos... Nachdem ich 1998 zum ersten Mal wählen durfte und mithalf die Kohl Ära zu verabschieden, wollte ich sehen wie es weiterging mit der Partei, die nach langen Jahren plötzlich nicht mehr Opposition war. Der Vater meiner Klavierschülerin erzählte mir außerdem von seiner Zeit bei den Jusos in Kiel, wie sie sich zusammensetzten und alles diskutierten von Freiheit bis Revolutionen, man wollte zu allem eine Meinung haben und ich fand das toll, ich wollte auch über Freiheit diskutieren. Meine ersten Treffen mit den JuSos waren eher ernüchternd, es ging um Lokalpolitik, dazu Verhaltensregeln wer mit wem sprechen darf und wen grad alle furchtbar doof finden, was man trinken darf (Rotwein) was für Musik man hört (Rosenstolz, kein Witz)... Die SPD war in Brandenburg ebenfalls an der Macht und die Jusos im Stadtparlament. Also sprachen wir über Straßenverläufe und Fragen wie: Sind die Jusos für eine Brücke am Alten Markt oder wollen wir einen Tunnel (wir konnten uns nicht einigen), wenn Denkmalschutz mit Naturschutz kollidiert, was hat Oberhand (Denkmalschutz). Es war nicht nur langweilig, ich lernte viel über die Geschichte der Stadt, sprach mit Jann Jakobs, dem Bürgermeister und späteren Regierenden Bürgermeister. Ich lernte etwas über die Sichtachsen-Problematik mit der sämtliche Baugeschehen der Unesco Welterbe-Stadt umgehen mussten, vom Baum im BUGA Park bis zur Farbgestaltung der Plattenbauten in der Breiten Straße.
Einmal ging es um Kindergärten und sofort holte jeder seine traurigsten Kindergarten - Erlebnisse heraus, von schlechtem Essen bis fiesen Erzieherinnen... Bei der Abstimmung dann das Ergebnis: Jusos sind gegen Kindergärten... Wie bitte?! Wir fuhren zum Parteitag in Cottbus, wo über die Frage diskutiert werden soll, ob Jusos eigentlich Jungsozialisten/innen oder Jungsozialdemokraten/innen heißt. Aber der Parteitag kam nicht zu Stande, da in einigen Gremien die Frauenquote nicht erfüllt wurde. Der Bildungspolitiker, der sprechen sollte und deswegen umsonst in die Provinz gefahren war, behauptete, daß das nur gegen ihn gerichtet war... es würde mich nicht wundern, der Kerl war ein arrogantes A., der selbst mich einmal niedergemacht hat. (Wir hatten einen Stand am Lindenpark und ein paar Kinder hatten Kondome erbeutet (wir hatten sie ihnen sicher nicht gegeben, ich hatte eher deren Eltern in Verdacht), um daraus Luftballons zu machen... er fand, daß wir an alle Kindern Kondome verteilt hatten, um ihn lächerlich zu machen. Danach habe ich selbstverständlich Kondome an Kinder verteilt, bei den Werbeartikeln unbekannten Alters konnte man so wohl noch am ehesten Schaden abwenden...)
Einmal sollte ich einen Vortrag zu einer kleinen Grundrechtsänderung halten... ich mochte Grundrechte, sie vereinbarten zwei meiner Leidenschaften: Freiheitsdiskussionen und Aufsätze verfassen, während meines Studiums war ich deswegen wahrscheinlich nur während meiner Grundrechtsklausuren richtig gut (na gut, außerdem in Rechtsgeschichte und allem was das Abstraktionsprinzip durchbrach - einer extremen Anti-Herr Z. Reaktion) Aber mein Vortrag wurde für zu langweilig befunden, stattdessen sprachen wir darüber, wie sehr wir gegen einen möglichen Brückenausbau neben dem Park Babelsberg über Klein-Glienicke wären. Das war interessant. Danach hielt ich keine Vorträge mehr.
Bald ging ich nur noch sehr selten zu einem Treffen und dachte, das Thema würde sich leise entschleichen. Doch zum echten Bruch kam es, als man mich ebenfalls als Quotenfrau für ein Gremium haben wollte, ich sollte dabei ausdrücklich keine eigene Meinung haben, hatte ich schon lange nicht mehr, könnte dafür im Gegenzug schnelle Karriere machen... Was mir als unwiderstehliches Angebot unterbreitet wurde (wahrscheinlich sahen diejenigen das tatsächlich so), machte mich schlichtweg wütend und seitdem war Politik für mich erledigt. Ich akzeptiere, daß es den Beruf des Politikers geben muß, möchte damit aber selbst nichts zu tun haben. Ich bin Nichtwähler. So richtig weiß ich auch nicht, was ich wählen soll, denn rechts von der SPD ist mir alles zu konservativ und an sich sympathisiere ich mit den Ideen der Grünen. Aber deren Programme klingen manchmal zu sehr nach Umwelt-Utopie und setzen voraus, daß alle Menschen einsehen, daß wir die Erde nicht weiter zerstören dürfen... Tja, leider interessiert das aber erstaunlich viele überhaupt gar nicht und so halte ich es wohl eher mit Charles Bukowski: „Menscheit, du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu.“ Sieht man sich all den Kampf, Chaos und hausgemachte (Nuklear-)Probleme dieser Welt an, kann ich dazu wohl nur sagen: Amen.
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