28. April 2011

Einfach, einfacher...

 Als ich nach Kanada ging, war ich ein wenig über die Infrastruktur verblüfft, selbst in den Innenstädten wurden sämtliche Kabel nicht unter der Erde verlegt, sondern baumelten an Holzpfosten, die Straßen waren schlecht sobald man aus der unmittelbaren Innenstadt herausfuhr (zum Teil aufgrund des Winters, aber dann weiß man auch, daß der Winter jedes Jahr wieder kommt und könnte bessere Straßen bauen (Betonpflasterstraßen halten z.B. Jahrzehnte wurde mir erklärt)) und die meisten Bauarbeiter hatten keine Ausbildung sondern machten das eben mal als „Job“ mit mehr oder minder Können. Es war nicht mit Deutschland und dem umfassenden Berufsschulsystem zu vergleichen, aber dann gewöhnte man sich daran und erklärte eben so wie alle anderen das Wetter zum Hauptschuldigen. Dann kam ich nach Vermont und fand jede Straße in schlechtem, hunderte Mal geflicktem Zustand vor. Das Wetter ist immer noch das Gleiche und die Kompetenz der Menschen eine ähnliche, nur das Geld zur Straßenreparatur war nicht vorhanden. 


Das ist z.B. die Straße neben dem Country Club in einem der reichsten Stadtteile von Burlington, links und rechts sieht man Millionenvillen am Hang mit Seeblick und auf der Straße fliegt der Splitt. Würde so auch nur annähernd der Zustand einer unbedeutenden Hinterhofgasse in Berlin-Neukölln aussehen? Wenn ich meine Beobachtungen mit Anands Kollegen von der Universität teile, bekomme ich immer so große Augen zurück. Ich habe keine Ahnung. Sie alle waren in anderen Landesteilen der USA und hier im reichen Vermont werden Straßen überhaupt noch geflickt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich einen nicht-reichen Bundesstaat dann überhaupt kennenlernen will und denke nach über das seltsame Land in das uns Anands derzeitige postdoc-Position gebracht hat.
Wir alle sind mit den Modellen des Wirtschaftskreislaufes aufgewachsen, Menschen bekommen Geld für ihre Arbeit, geben es aus, die Wirtschaft floriert, braucht mehr Arbeiter, die bekommen Geld, gebe es aus, manches wird gespart, was die Banken wiederum in die Wirtschaft investieren, dafür bekommen die Investoren Geld zurück. All das funktioniert nur, so lange es ein Wachstum gibt, aber wie lange kann die Wirtschaft wachsen ohne irgendwann einen Punkt zu erreichen, wo es stillsteht, sehr langsam wächst oder sogar fällt? Und wenn die Wirtschaft schrumpft, wie kann man den betroffenen Menschen helfen, wenn man einzig in das Prinzip der freien Marktwirtschaft glaubt und sämtliche Steuergelder nur ins Verteidungsbudget fließen?
Ich habe schon häufig mit Anand darüber gesprochen und so langsam finden wir, daß unsere Entscheidungen, die häufig durch Geld bedingt wurden, nicht als Armutszeugnis sondern auch als bewußte Entwicklung hin zu weniger Konsum angesehen werden können. Wir haben zwar nicht überall Energiesparlampen stecken (ehrlich gesagt, das Quecksilber darin klingt nicht so richtig sauber, ausschalten, wenn man etwas nicht braucht ist einfacher...) aber wir haben keine Handys, müssen für keinen Autokredit bezahlen, leben in einer winzigen Zwei-Zimmerwohnung, brauchen kein Fernsehen (das Gerät haben wir in Kanada gelassen), keine Kreditkarten und kaufen das meiste unserer Kleidung im Second-Hand Laden. Das Beste an der Kleidung dort ist außer Preis und den sentimentalen Gefühlen ein Stück mit Geschichte zu besitzen auch, daß Sachen die trotz Vorbesitzer noch gut aussehen, ihre bessere Qualität bereits bewiesen haben, denn alles was nach zwei Wäschen schon auseinanderfällt schafft es gar nicht erst in einen solchen Laden. Und seltsamer Weise vermissen wir nichts von den Dingen, die alle anderen als so wichtig ansehen. Ehrlich ohne Auto in den USA wie soll das gehen? Wie soll man jemanden ohne Mobiltelefon erreichen und Sendung xyz kennst du nicht?
Ich bin mir nicht so ganz sicher, wo ich mit diesem Artikel überhaupt hin wollte, das waren einfach nur ein paar Gedanken, die mir in den Kopf kamen, als ich diesen Blogeintrag von Milla (auf englisch) las: Real, simple.

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